1. Die Voraussetzungen der Übertragung
Rn. 930
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Bei minderjährigen Kindern (zu volljährigen Kindern s Rn 934) wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag) auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, BMF v 28.06.2013, BStBl I 2013, 845 Rz 6f; die bisherige Regelung in § 32 Abs 6 S 6 Hs 2 EStG aF war verfassungsgemäß, BFH v 27.10.2011, III R 42/07, BStBl II 2013, 194. Der Antrag ist beim Wohnsitz-FA zu stellen. Der Elternteil, der den Antrag auf Übertragung gestellt hat, kann diesen bis zur materiellen Bestandskraft des ESt-Bescheids zurücknehmen, FG BdW v 29.07.1992, 2 K 61/88, EFG 1993, 32.
Da die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf gesondert in § 32 Abs 6 S 8 EStG geregelt und damit eigenständig war (vgl BT-Drs 14/1513, 15), konnte der Freibetrag bis zum VZ 2020 (s Rn 64, 901, 933) unabhängig vom Kinderfreibetrag übertragen werden, vgl zu § 32 Abs 6 S 6 Hs 2 EStG aF, BFH v 18.05.2006, III R 71/04, BStBl II 2008, 352; aA BMF v 28.06.2013, BStBl I 2013, 845 Rz 5, danach sollte die Übertragung des Kinderfreibetrags stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarfs führen.
Die durch das StVereinfG 2011 erfolgte Neuregelung in § 32 Abs 6 S 8 EStG, die dem Wortlaut nach der Regelung in § 32 Abs 6 S 6 Hs 2 EStG aF entspricht, ist im Zusammenhang mit der Neuregelung in § 32 Abs 6 S 9 EStG zu sehen, die die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf ab dem VZ 2012 an weitere Voraussetzungen knüpft, ausführlich dazu s Rn 935. Derjenige Elternteil, bei dem das Kind gemeldet ist, kann den Antrag bei seinem Wohnsitz-FA bis zur Bestandskraft seines ESt-Bescheids stellen; bis zu diesem Zeitpunkt kann er den Antrag durch Erklärung gegenüber dem FA auch zurücknehmen, BFH v 20.04.2004, VIII R 82/03, BFH/NV 2004, 1254. Stellt der Elternteil, bei dem das Kind gemeldet ist, den Antrag auf Übertragung erst zu einem Zeitpunkt, an dem die ESt-Veranlagung des anderen Elternteils bereits bestandskräftig geworden ist, kann der gegen den anderen Elternteil ergangene ESt-Bescheid nach § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO geändert werden, weil es sich bei dem Antrag um ein rückwirkendes Ereignis handelt, FG BdW v 16.01.2009, 13 K 299/04, EFG 2011, 1703; bestätigt durch BFH v 13.11.2012, VI R 100/10.
Rn. 931
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Die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf knüpft lediglich daran an, dass das Kind in der Wohnung des einen Elternteils gemeldet und in der Wohnung des anderen Elternteils nicht gemeldet ist. Für die Frage, ob das Kind in der Wohnung des anderen Elternteils nicht gemeldet ist, kommt es auf den Inhalt des Melderegisters an. Maßgebend ist der Tag der melderechtlichen An- oder Ummeldung, BFH v 27.10.2011, III R 42/07, BStBl II 2013, 194; BFH v 01.12.1995, III R 125/93, BStBl II 1996, 91; Loschelder in Schmidt, § 32 EStG Rz 93 (43. Aufl 2024); eine nachträgliche oder rückwirkende Ummeldung ist ohne Bedeutung, BFH aaO; BFH v 30.06.2005, III R 55/01, BFH/NV 2005, 1992. Maßgebend ist, wann die Meldung, die zu der Registrierung geführt hat, bei der Meldebehörde eingegangen ist. Ermittlungen und Beweiserhebungen über das Vorliegen eines Ortswechsels sollen vermieden werden, auch wenn eine Meldung unzutreffend oder später unrichtig geworden ist, BFH v 01.12.1995, III R 125/93, BStBl II 1996, 91. Eine Berichtigung einer unrichtigen Bestätigung der Meldebehörde ist regelmäßig ohne Bedeutung, BFH v 30.06.2005, III R 55/01, BFH/NV 2005, 1992.
Ist das Kind in den Wohnungen beider Elternteile gemeldet, ist eine Übertragung des Freibetrags ausgeschlossen. Ob das Kind mit Haupt- oder Nebenwohnung gemeldet ist, ist ohne Bedeutung. Bei der Auskunft der Meldebehörde handelt es sich nicht um einen Grundlagenbescheid, der eine Änderung nach § 171 AO ermöglichen würde, Loschelder in Schmidt, § 32 EStG Rz 93 (43. Aufl 2024). Weiterhin ist neben dem Antrag erforderlich, dass bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Abs 1 S 1 EStG nicht vorliegen.
Rn. 932
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Der genannte Freibetrag kann nur übertragen werden, wenn das Kind minderjährig ist und nur in der Wohnung eines Elternteils gemeldet ist, BFH v 22.04.2020, III R 25/19, BStBl II 2022, 63; aA Loschelder in Schmidt, § 32 EStG Rz 92 (43. Aufl 2024): soweit § 1603 Abs 2 S 2 BGB volljährige, unverheiratete Schulkinder unter 21 Jahren, die im Haushalt des antragsberechtigten Elternteils leben, minderjährigen Kindern gleichstellt, sollte das auch bei § 31 Abs 6 S 8 EStG berücksichtigt werden.
Der Freibetrag wird nur für den gesamten VZ übertragen, eine Aufteilung erfolgt nicht. Maßgebend ist somit die Meldung des Kindes bei einem Elternteil zu Beginn des VZ.
Rn. 933
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Bei volljährigen Kindern war hingegen die Übertragung des Freibetra...