A. Die Verlängerungstatbestände des § 32 Abs 5 S 1 EStG
Rn. 721
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Kinder, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchende gemeldet sind, und Kinder, die für einen Beruf ausgebildet werden, sowie Kinder, die sich in einer Übergangszeit iSd § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst b EStG befinden, werden über das 21. bzw 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt, wenn
- sie den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet,
- sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet (s §§ 6b, 7 WehrPflG) oder
- eine vom gesetzlichen Grundwehr- oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer iSd § 1 Abs 1 EhfG ausgeübt haben, vgl dazu H 32.11 EStH 2022 "Entwicklungshelfer".
Rn. 722
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Die Verlängerungstatbestände des § 32 Abs 5 S 1 EStG berücksichtigen zum einen, dass für Kinder, die einen der genannten Dienste ableisten, grundsätzlich kein Anspruch auf Kindergeld besteht, vgl BFH v 04.07.2001, VI B 176/00, BStBl II 2001, 675 (Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG v 29.03.2004, 2 BvR 1670/01, HFR 2004, 696); BFH v 15,05.2003, VIII B 248/02, BFH/NV 2003, 1182; BFH v 17.02.2010, III B 64/09, BFH/NV 2010, 883, sowie zum anderen, dass sich die Ausbildung des Kindes durch die Ableistung der genannten Dienste gegenüber denjenigen Kindern, die die Dienste nicht ableisten müssen, entsprechend verlängert. Ein Kind, das den gesetzlichen Grundwehr- oder Zivildienst geleistet hat, ist nach § 32 Abs 5 Satz 1 Nr 1 EStG über die Vollendung des 25. Lebensjahrs hinaus für einen der Dauer dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum auch dann zu berücksichtigen, wenn es während der Dienstzeit zugleich für einen Beruf ausgebildet und iSd § 32 Abs 4 S 1 Nr 2 Buchst a EStG als Kind berücksichtigt wurde, BFH v 05.09.2013, XI R 12/12, BStBl II 2014, 39.
Keine Verlängerung erfolgt, wenn das Kind einen freiwilligen Wehrdienst nach Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht angetreten hat, FG Münster v 27.04.2014, 5 K 2339/14 Kg, EFG 2015, 574. Im Übrigen ist die Übergangsvorschrift in § 52 Abs 40 S 6 EStG aF zu beachten.
Ein über 25 Jahre altes Kind, das anstelle des Zivildienstes ein sog freiwilliges soziales Jahr geleistet hat, ist nicht zu berücksichtigen, BFH v 31.03.2014, III B 147/13, BFH/NV 2014, 1035; FG Saarland v 30.01.2014, 2 K 1346/13, EFG 2014, 1208.
§ 32 Abs 5 S 1 EStG führt die Verlängerungstatbestände abschließend auf, BFH v 14.10.2002, VIII R 68/01, BFH/NV 2003, 460; Loschelder in Schmidt, § 32 EStG Rz 68 (43. Aufl 2024); eine planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor. Dies gilt nach BFH v 19.10.2017, III R 8/17, BStBl II 2018, 399 auch für den Dienst als ehrenamtlicher Helfer im Zivil- oder Katastrophenschutz iSd § 13a WPflG.
B. Der Verlängerungszeitraum des § 32 Abs 5 S 1 EStG
Rn. 723
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Die Berücksichtigung erfolgt für einen der Dauer des Dienstes oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes (§ 5 WehrPflG) oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes (§§ 24ff ZivildienstG). Auch die Dauer eines freiwilligen zusätzlichen Zivildienstes nach § 41a ZDG ist zu berücksichtigen, vgl A 21 Abs 4 S 3 DA-KG 2024.
Es handelt sich um auslaufendes Recht. Gemäß § 52 Abs 32 S 2 EStG gilt die Regelung nur noch, wenn das Kind den Dienst oder die entsprechende Tätigkeit vor dem 01.07.2011 aufgenommen hat, Loschelder in Schmidt, § 32 EStG Rz 74 (43. Aufl 2024), vgl dazu auch FG Münster v 27.10.2014, 5 K 2339/14 Kg, EFG 2015, 574.
Leistet das Kind hingegen zunächst den gesetzlichen Grundwehrdienst ab und verpflichtet es sich nachfolgend freiwillig zu einem weiteren Wehrdienst, so ist der Verlängerungstatbestand des § 32 Abs 5 S 1 Nr 2 EStG hinsichtlich der Dauer des gesetzlichen Wehrdienstes deshalb gegeben, weil das Kind nicht anstelle des gesetzlichen Wehrdienstes einen freiwilligen Wehrdienst geleitet hat, FG SAnh v 24.03.2009, 4 K 1101/05, EFG 2009, 1318.
Der Wortlaut des § 32 Abs 5 S 1 EStG ordnet eine Verlängerung um die Dauer des Dienstes an, ohne dies auf Monate zu beschränken, in denen die Berücksichtigung als Kind bzw die Zahlung von Kindergeld unterblieben ist, BFH v 27.08.2008, III R 88/07, BFH/NV 2009, 132. Deshalb sind zunächst die Monate zu berücksichtigen, in denen das Kind mindestens an einem Tag einen Dienst bzw eine Tätigkeit iSd § 32 Abs 5 S 1 EStG geleistet hat.
Rn. 724
Stand: EL 176 – ET: 10/2024
Der Verlängerungstatbestand kommt auch für die Monate zur Anwendung, für die Anspruch auf Kindergeld bestand, zB wenn das Kind während der Ableistung der genannten Dienste eine Berufsausbildung aufgenommen hat, BFH v 05.09.2013, XI R 12/12, BStBl II 2014, 39. Auch wenn sich das Kind in dem Monat, in dem es seinen Wehrdienst angetreten hat, in einer Übergangszeit zwischen der Ausbildung und dem Beginn des Wehr- oder des Zivildienstes befand, verlängerte sich der Berücksichtigungszeitraum ...