a) Allgemeines
Rn. 8a
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
§ 32b EStG kennt grds den Progressionsvorbehalt in zwei Formen:
Bezeichnung |
Wirkungsweise |
Behandlung |
Positiver Progressionsvorbehalt |
Steuersatzerhöhend |
s Rn 9 |
Negativer Progressionsvorbehalt |
Steuersatzmindernd |
s Rn 10–14 |
b) Der positive Progressionsvorbehalt
Rn. 9
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
Mit dem positiven Progressionsvorbehalt ist gemeint, dass die Summe oder der Saldo der steuerfreien Einkünfte positiv ist und damit der Steuersatz für die stpfl Einkünfte erhöht wird. Er wirkt dabei nicht nur in den Progressionszonen des ESt-Tarifs, sondern auch in den Proportionalzonen (zum Begriff s Rz 4). Diesen Fall betrifft § 32b EStG in allen seinen Varianten (Abs 1 Nr 1–5) unstreitig. Jedoch sind ab VZ 2008 (Art 1 Nr 15c, Art 39 Abs 5 JStG 2009 v 19.12.2008, BGBl I 2008, 2794) aus europarechtlichen Gründen bestimmte, dort enumerativ aufgezählte Tatbestände aus dem positiven (ebenso: aus dem negativen, s Rn 12–14) Progressionsvorbehalt in § 32b Abs 1 Nr 3 EStG herausgenommen worden (§ 32b Abs 1 S 2 u 3 EStG idF JStG 2009, s BT-Drucks 16/10 189, 52f). Dazu s Rn 31, 109b, 109c.
c) Der negative Progressionsvorbehalt
ca) Die Bedeutung
Rn. 10
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
Der negative Progressionsvorbehalt bedeutet, dass die Summe oder der Saldo der steuerfreien Einkünfte negativ ist und damit der Steuersatz für die stpfl Einkünfte gesenkt wird, ggf bis auf Null (H 32b EStH 2019 "Ausländische Verluste"). Dabei wirken sich "kleine" Verluste wegen des Regressionseffekts nicht in gleichem Umfang steuermindernd aus wie "große". Der negative Progressionsvorbehalt wirkt dabei – wie der positive Progressionsvorbehalt, s Rn 9 – nicht nur in der progressiven Zone des ESt-Tarifs, sondern auch schon in den sog Proportionalzonen (zum Begriff s Rn 4). Für die Frage, ob § 32b EStG auch den negativen Progressionsvorbehalt erfasst, ist zu unterscheiden.
cb) Der Grundsatz
Rn. 11
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
§ 32b EStG kennt grds auch den negativen Progressionsvorbehalt. Das ist seit BFH BStBl II 1970, 660 geklärt (ebenso zB BFH BStBl II 1970, 755; 1982, 566; 1983, 34; 1994, 113; 2012, 325; BFH/NV 2007, 346). Dem folgt auch die FinVerw (H 32b EStH 2019 "Ausländische Verluste"). Dieser negative Progressionsvorbehalt gilt auch dann, wenn er durch vorweggenommene WK zu § 19 EStG entsteht, auch wenn künftig die inländische StPfl entfällt (BFH BStBl II 1994, 113; BFH/NV 2007, 346; s Rn 125a).
cc) Die Ausnahmen
Rn. 12–14
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
(1) |
Zu den Ausnahmen § 2a EStG, § 15 Abs 4 EStG, § 15a EStG s Rn 29–33. |
(2) |
§ 23 Abs 3 S 7 EStG beschränkt den Verlustausgleich bei Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften (s Hoheisel, s § 23 Rn 258ff). Ob damit auch der negative Progressionsvorbehalt ausgeschlossen wird, ist nicht geregelt, mE aber zu bejahen, um die Wirkung der Verlustausgleichsbeschränkung nicht leerlaufen zu lassen (glA Lamprecht/Bischof, IStR 2018, 794). |
(3) |
§ 32b Abs 1 Nr 5 EStG (nicht aber § 32b Abs 1 Nr 3 EStG und/oder auch nicht § 32b Abs 1 Nr 4 EStG) schloss bis einschließlich VZ 2007 (s Rn 2) den negativen Progressionsvorbehalt für die Fälle des § 1 Abs 3 EStG, § 1a EStG oder § 50 Abs 5 S 2 Nr 2 EStG (aF, jetzt § 50 Abs 2 S 2 Nr 4 EStG) aus. Allerdings nur, wenn die Summe (oder auch: der Saldo) der nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte negativ war. Daher wurden unbeschränkt StPfl nach § 1 Abs 1 EStG und solche nach § 1 Abs 3 EStG nicht konsequent gleichbehandelt. Zu verfassungsrechtlichen Fragen deswegen s Rn 60. Dadurch, dass seit VZ 2008 auch in diesen Fällen der negative Progressionsvorbehalt möglich ist, sind diese verfassungsrechtlichen Bedenken seitdem ausgeräumt. |
(4) |
§ 32b Abs 1 S 2, 3 EStG nahmen ab VZ 2008 (Art 1 Nr 15c, Art 39 Abs 5 JStG 2009 v 19.12.2008, BGBl I 2008, 2794) aus europarechtlichen Gründen (s BT-Drucks 16/1089, 52f) bestimmte Tatbestände aus dem negativen (ebenso: positiven, s Rn 9) Progressionsvorbehalt in § 32b Abs 1 Nr 3 EStG heraus Dazu s Rn 31, 109b, 109c. |
d) Ausnutzung der Konträrwirkung von positivem und negativem Progressionsvorbehalt in verschiedenen VZ
Rn. 15
Stand: EL 150 – ET: 04/2021
Soweit ein negativer Progressionsvorbehalt besteht (s Rn 10–14), ließ sich durch bestimmte Gestaltungen (bei Gewinnermittlungen nach § 4 Abs 3 EStG) das inländische Einkommen in einem Jahr, indem es hoch ist, "drücken", während der positive Progressionsvorbehalt in einem anderen Jahr greift, in dem das inländische Einkommen niedrig ist. Zu diesen Gestaltungen der "sog Gold-(finger-)fälle" s BFH BStBl II 2017, 456; Hechtner, NWB 4/2013, 196. Zur Reaktion des Gesetzgebers (Einfügung des § 32b Abs 2 S 1 Buchst c EStG durch Art 2 Nr 14b AmtshilfeRLUmsG v 26.06.2013, BGBl I 2013, 1809, erstmals anzuwenden auf nach dem 28.02.2013 angeschaffte/hergestellte/ins BV eingelegte WG, s Art 2 Nr 39i des G) s Rn 126a–126c. Ferner hierzu s FG Mchn v 02.10.2019, 7 K 982/17, DStRE 2020, 1520.