Rn. 101
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Durch den Übergang zur AbgSt kam es zu Friktionen, da der Systemwechsel in mehrere Grundprinzipien des ESt-Rechts simultan eingriff (zur Beschreibung des Übergangs durch den BFH s Urt BFH vom 03.11.2015, VIII R 37/13, BStBl II 2016, 273 Rz 25 ff; zum Übergang bei Anschaffung von WG vor der erstmaligen Anwendbarkeit der AbgSt zuletzt BFH vom 29.10.2019, VIII R 16/16, BStBl II 2020, 254).
Insb der Übergang von der Nettobesteuerung nach § 2 Abs 2 S 1 EStG zur Bruttobesteuerung aufgrund des § 2 Abs 2 S 2 EStG (s Worgulla, FR 2013, 921) hat insoweit zu vorhersehbaren Rechtsstreitigkeiten geführt (Werth, DStR 2015, 1343, 1348).
Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des WK-Abzugsverbots s Rn 111.
Rn. 101a
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Durch den Übergang von der synthetischen ESt, bei der WK bei den Einkünften aus KapVerm dem Grunde nach abziehbar waren (evtl eingeschränkt nach § 3c Abs 2 S 1 EStG, s zuletzt BFH vom 07.06.2016, VIII R 32/13, BStBl II 2016, 769) zur Schedulisierung durch die AbgSt, bei der WK nicht abziehbar sind, entstand ein starker, vorhersehbarer Anreiz, WK noch im alten System zu verausgaben, Einnahmen aber unter der AbgSt zu vereinnahmen (Weiss, NWB 2016, 334, 336).
Rn. 102
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Daher hatte der Gesetzgeber in § 52a EStG aF eigene "Anwendungsvorschriften zur Einführung einer AbgSt auf KapErtr und Veräußerungsgewinne" vorgesehen. Diese sind inzwischen aufgehoben worden (iRd "KroatienAnpG" vom 25.07.2014, BGBl I 2014, 1266; Korn/Strahl in Korn, § 52a EStG Rz 1 (08/2014) und, soweit erforderlich, in § 52 EStG integriert worden; s zum Ganzen Weiss, FR 2016, 520).
Rn. 103
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Darin war bestimmt, dass § 2 Abs 2 EStG – der das WK-Abzugsverbot enthält – erstmals ab dem VZ 2009 anzuwenden ist (§ 52a Abs 2 EStG aF). § 52a Abs 10 S 10 EStG aF enthielt hingegen die Regelung, dass § 20 Abs 3–9 EStG "idF des Artikels 1 des Gesetzes vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) … erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende KapErtr anzuwenden" seien (zum Übergang auch Karrenbrock, NWB 2015, 1310; zum Spielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung des Übergangs BFH vom 03.11.2015, VIII R 37/13, BStBl II 2016, 273).
Rn. 104
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Insoweit konnten sich beim Übergang zur AbgSt zwei Konstellationen ergeben (s auch Jachmann-Michel in Drüen/Hey/Mellinghoff, FS 100 Jahre BFH, OVS 2018, 1279, 1281):
- Zum einen konnte ein StPfl WK vor dem Stichtag verausgabt haben und nach dem Stichtag stpfl Einnahmen beziehen. Diese Konstellation konnte bewusst herbeigeführt worden sein, um die Abzugsfähigkeit gegen den progressiven ESt-Satz bis zum VZ 2008 noch zu nutzen, oder sich auch unbewusst ergeben haben.
- Zum anderen konnte der StPfl vor dem Stichtag Einnahmen erzielen und nach dem Stichtag noch (nachträgliche) WK haben (zur Entwicklung der Rspr Moritz, DStR 2014, 1703, 1704). Diese Konstellation betraf häufig auch Selbstanzeigen im Bereich der Einkünfte aus KapVerm (Viebrock/van Lück/Szrubarski, DStR 2015, 391).
Rn. 105
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
In ersterem Fall hat der BFH selbst für Fälle bewusster Nutzung des Übergangs zur AbgSt den Abzug in VZ vor 2009 für zulässig erachtet (ausführlich dazu Weiss, EStB 2016, 299, 300). In seinem Urt BFH vom 24.02.2015, VIII R 44/12, BStBl II 2015, 64 hat er den WK-Abzug für das sog "Grand-Slam-Program", bei dem eine "Vorabverwaltungsgebühr" noch vor Einführung der AbgSt gezahlt wurde, um dann während der Geltung der AbgSt Einnahmen aus KapVerm zu beziehen, zugelassen. Einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten hat er in der Gestaltung nicht gesehen.
Rn. 106
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
In letzterem Fall hat der BFH in st Rspr (BFH vom 09.06.2015, VIII R 12/14, BStBl II 2016 II, 199 mwN; zuletzt BFH vom 28.02.2018, VIII R 41/15, BStBl II 2018, 478) den Abzug nachträglicher WK verweigert (insgesamt zu nachträglichen WK Geissler, NWB 2015, 332). Auch der an die Stelle der tatsächlichen WK tretende WK-Pauschbetrag (§ 2 Abs 2 S 2 EStG) hilft in diesen Fällen nicht, da dieser (§ 20 Abs 9 S 4 EStG) maximal bis zur Höhe der KapErtr zu gewähren ist, die aber im entsprechenden VZ häufig nicht vorlagen (Weiss, FR 2016, 520 mwN).
Rn. 107
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Das Urt des FG Niedersachsen vom 22.06.2015, 7 K 19/13, EFG 2016, 641 hatte einen WK-Abzug für nachträgliche WK entgegen der oben genannten BFH-Rspr für möglich gehalten. Der BFH hat in der Revision seine nun st Rspr bestätigt. Zudem hat er an seiner gefestigten Rspr zur Verfassungsmäßigkeit des § 20 Abs 9 EStG festgehalten (BFH vom 28.02.2018, VIII R 41/15, BStBl II 2018, 478; Werth, BFH/PR 2018, 205).
Rn. 108–109
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
vorläufig frei