Rn. 1

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Die Vorschrift ist das Kernstück der sog "Abgeltungsteuer" (AbgSt). Die AbgSt stellt eine spezielle Tarifvorschrift für die Einkünfte aus KapVerm (§ 2 Abs 1 S 1 Nr 5 EStG, § 20 EStG) dar, weswegen die Vorschrift im IV. Teil des EStG ("Tarif") platziert ist (s auch FG Niedersachsen vom 18.03.2022, 7 K 120/21, EFG 2022, 1101). Durch ihren – im Gegensatz zu § 32a EStG – nicht progressiven Steuersatz von 25 % (§ 32d Abs 1 S 1 EStG) wird der Grundsatz einer synthetischen ESt durchbrochen, indem Einkünfte einer einzelnen Einkunftsart einem besonderen Steuersatz unterworfen werden (Jachmann-Michel, BB 2020, 727) und somit nicht § 32a EStG, der progressiven Einkommensbesteuerung, unterliegen. § 32d EStG enthält allerdings auch Regelungen zu Ausnahmen von der AbgSt (§ 32d Abs 2 EStG, § 32d Abs 6 EStG), zur Ermittlung der Einkünfte, wie § 32d Abs 2 Nr 1 S 2 EStG, der § 20 Abs 6 und 9 EStG außer Kraft setzt (Weiss, Ertrag-StB 2020, 64, 66). Daneben sind Fragen der steuerlichen Mitwirkungspflichten (§ 32d Abs 3 S 3 EStG) sowie der einkommensteuerlichen Steuerermäßigungen (§ 32d Abs 5 EStG, Anrechnung ausländischer Personensteuern) geregelt.

 

Rn. 2

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Der lineare Steuersatz wird, soweit möglich, durch Abzug der KapSt (§§ 43ff EStG) erhoben, die Abgeltungswirkung nach § 43 Abs 5 S 1 EStG entfaltet. § 43 Abs 5 EStG enthält im 1. Hs seines Satzes 1 die entscheidende, für die AbgSt namensgebende Grundaussage, dass der Einbehalt der KapSt auf KapErtr iSd § 20 EStG abgeltend wirkt. Insoweit unterbleibt eine Veranlagung iSd § 25 Abs 1 EStG (" ... soweit nicht nach § 43 Absatz 5 und § 46 eine Veranlagung unterbleibt"; § 25 Rn 5 (Schneider)).

 

Rn. 3

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Entsprechend stimmen die Steuersätze des § 32d Abs 1 S 1 EStG und des § 43a Abs 1 S 1 Nr 1 EStG überein (zur Funktion der KapSt bei der AbgSt Weber-Grellet, DStR 2013, 1357 und 1412). Bei zu geringem Einbehalt von KapSt sieht § 32d Abs 3 EStG eine verpflichtende Erklärung und daran anschließende Veranlagung zum AbgSt-Satz vor (§ 2 Abs 6 S 1 EStG; R 2 Abs 2 Zeile 13 EStR 2012; dazu unten s Rn 380).

 

Rn. 4

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Als weitere wichtige Bestandteile des Konzepts der AbgSt sind zu nennen:

 

Rn. 5

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Durch § 2 Abs 2 S 2 EStG (iVm § 20 Abs 9 EStG) wird ein Abzugsverbot für WK aufgestellt, da nach diesen Vorschriften nur der Sparer-Pauschbetrag von EUR 801 (seit VZ 2023: EUR 1 000) bzw EUR 1 602 (seit VZ 2023: EUR 2 000) im Falle der Zusammenveranlagung statt tatsächlich angefallener WK (§ 9 EStG) abziehbar ist. § 2 Abs 5b EStG nimmt die KapErtr nach § 32d Abs 1 EStG und § 43 Abs 5 EStG von den Begriffen des § 2 EStG "Einkünfte", "Summe der Einkünfte", "Gesamtbetrag der Einkünfte", "Einkommen" und "zvE" aus.

Damit wird die Schedulisierung der Einkünfte aus KapVerm nicht nur bzgl des Steuersatzes, sondern auch bzgl der Systematik des § 2 EStG vollständig umgesetzt (s dazu auch FG Nürnberg vom 08.02.2017, 5 K 1331/16, rkr).

 

Rn. 6

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Daneben sind Veränderungen im § 20 EStG zu nennen, die im weiteren Sinne auch Teil der Einführung der AbgSt waren (s auch Jachmann-Michel in Drüen/Hey/Mellinghoff, FS 100 Jahre BFH, OVS 2018, 1279, 1285). Insb wurde in § 20 Abs 2 EStG eine umfassende Erfassung von Veräußerungsgewinnen bei den Einkünften aus KapVerm angeordnet (Überblick bei Anemüller/Lohkamp, ErbStB 2016, 121).

§ 20 Abs 6 EStG vollzieht die Schedulisierung der Einkünfte aus KapVerm auch bzgl der Verlustverrechnung (s Weiss, Ertrag-StB 2020, 64, 66; umfassend zur Veränderung Weber-Grellet, DStR 2013, 1357, 1358; s auch die Beschreibung des Systemwechsels bei BFH vom 03.11.2015, VIII R 37/13, BStBl II 2016, 273 Rz 25ff).

 

Rn. 7

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§ 32d Abs 2 EStG enthält allerdings (zwingende und antragsgebundene) Rückausnahmen, die insoweit die synthetische Einkommensbesteuerung in den Fällen, in denen der Gesetzgeber dies systematisch für geboten hält, wieder herstellen (s Rn 150). Dadurch entsteht ein "Steuersatzgefälle" zwischen progressiver Besteuerung nach § 32a EStG und AbgSt nach § 32d EStG, dessen Ausnutzung allein der BFH nicht als missbräuchlich, sondern der "Schedulenbesteuerung" immanent beurteilt (BFH vom 07.05.2019, VIII R 29/15, BStBl II 2019, 751 Rz 35 mwN).

Daneben erlaubt § 32d Abs 6 EStG ("Günstigerprüfung") eine Einbeziehung der Einkünfte in die synthetische Einkommensbesteuerung, wenn dies zu einer niedrigeren ESt einschließlich Zuschlagsteuern führt (s Rn 490).

 

Rn. 8

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Durch die Vorschrift sollte der "Kapitalflucht" aus Deutschland Einhalt geboten werden. Allerdings ist die Vorschrift in letzter Zeit in die politische Diskussion geraten (s zur Kritik im Jahr 2010 bereits Haarman in Kessler/Förster/Watrin, FS Herzig, C.H. Beck 2010, 423, 437). Der erweiterte Informationsaustausch bzgl der Kap...

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