Rn. 137
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Ebenso kann die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft angenommen werden, obwohl sie freiwillig eingegangen wurde. Allein das Zusammenleben und gemeinsame Wirtschaften reicht jedoch nicht aus. Hinzukommen muss, dass die Bedürftigkeit gemeinschaftsbedingt ist (zB wenn gemeinsame Kinder betreut werden müssen) und besondere Umstände vorliegen, die die Aufwendungen als unausweichlich erscheinen lassen (BFH BStBl II 1991, 518 mwN; BFH BStBl II 1994, 31). So sind die Unterhaltsaufwendungen zwangsläufig, wenn in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft der eine Partner dem anderen hilfsbedürftigen Partner Unterhaltsleistungen erbringt, weil diesem gemäß § 122 S 1 BSHG im Hinblick auf das Zusammenleben die Sozialhilfe verweigert (BFH BStBl II 1994, 236) oder die Arbeitslosenhilfe gekürzt wird (BFH BStBl II 1994, 897).
An der gemeinschaftsbedingten Bedürftigkeit fehlt es indes, wenn dem StPfl wegen seines Verhaltens eines in seiner Person begründeten Umstandes eine Mitverantwortung für die Bedürftigkeit nicht trifft (vgl BFH BFH/NV 2001, 1233).
Rn. 138
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Wer die Wahl hat, sich sein Leben in dieser oder jener Weise einzurichten, kann sich wegen der mit seiner Wahl verbundenen Aufwendungen nicht auf Zwangsläufigkeit berufen. Der BFH BStBl III 1964, 330 lehnt die Zwangsläufigkeit der Tilgung von für die Berufsausbildung aufgenommenen Krediten mit der Begründung ab, dass die Berufswahl in den Bereich der freien Lebensgestaltung des StPfl falle. Dies gilt nach Ansicht des BFH für Berufsausbildungskosten generell, da es sich dabei stets um aus freiem Entschluss getroffene Entscheidungen handelt (BFH BStBl II 1990, 738 mwN). Andererseits bejaht er die Zwangsläufigkeit im Falle der Tilgung eines Existenzaufbaudarlehens, BFH BStBl III 1967, 489.
Gleiche Grundsätze gelten für die Frage, ob Tilgungsraten einer vertraglich eingegangenen Schuldverpflichtung als ag Belastung anerkannt werden können (BFH BStBl III 1954, 357); idR besteht keine Zwangsläufigkeit, wenn jemand eine höhere Verschuldung auf sich nimmt, ohne dazu durch von seinem Willen unabhängige Umstände gezwungen worden zu sein (so schon RFH RStBl 1939, 117 und die st Rspr; s § 33 Anh 1 "Schuldaufnahme und Schuldentilgung" (Nacke)).
Die Treuhändervergütung im Verbraucherinsolvenzverfahren stellt keine ag Belastung dar, da diese Aufwendung vom StPfl selbst verursacht ist (BFH BStBl II 2017, 276; s auch FG Münster EFG 2018, 2044, Rev eingelegt Az BFH VI R 41/18). Krankheitskosten, die ein StPfl selbst trägt, um eine Beitragsrückerstattung von seiner privaten Krankenkasse zu erhalten, sind mangels Zwangsläufigkeit nicht als ag Belastung abzugsfähig (FG Nds EFG 2019, 712, rkr).
Rn. 139
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Nicht erstattete Kosten aufgrund der Übernahme von Ehrenämtern fallen nach Ansicht des FG RP EFG 1968, 66 ebenfalls nicht unter § 33 EStG, da es jedem freistehe, ein Ehrenamt auszuschlagen (ebenso FG BBg EFG 2008, 1380; Arndt in K/S/M, § 33 EStG Rz C 63 "Ehrenamt"; Loschelder in Schmidt, § 33 EStG Rz 90 "Ehrenamt", 40. Aufl). Dies wird man in Fällen einschränkend handhaben müssen, in welchen Ehrenämter dem Allgemeininteresse dienen und von einem bestimmten Kreis von Personen kaum ausgeschlagen werden können, falls sie ihnen angedient werden. Insofern ist die Entscheidung des RFH RStBl 1942, 308 betreffend den Luftschutzleiter wohl unzutreffend und dementsprechend in ihrer Begründung auch wenig überzeugend.
Die Übernahme der Ehrenämter des Vormundes, Beistandes, Betreuers oder Pflegers wird allerdings im Einzelfall als zwangsläufig anzusehen sein (bundeseinheitlich Fin Min Nds, DB 1968, 2100, 2245; 1985, 88; aA FG BBg EFG 2008, 1380). Ebenso wird man den Fall der Übernahme des Amtes eines ehrenamtlichen Richters zu beurteilen haben (Schmidt, FR 1980, 460; Arndt in K/S/M, § 33 EStG Rz C 63 "Ehrenamt").
Zum Ehrenamt s § 33 Anh 1 "Ehrenamt" (Nacke).