Rn. 131
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Das BMF v 11.08.2008, BStBl I 2008, 838 Rz 29 äußert sich zudem im Zusammenhang mit der Nachversteuerung zur Verwendungsreihenfolge für die nicht entnommenen Gewinne im Falle des Entnahmeüberhangs. Demnach ist die Verwendungsreihenfolge wie folgt aufgebaut:
(1) |
positiver steuerfreier Gewinn des laufenden Jahres |
(2) |
positiver stpfl Gewinn des laufenden Jahres |
(3) |
nicht entnommene und nach § 34a EStG begünstigte Gewinne der Vorjahre (= nachversteuerungspflichtiger Gewinn der Vorjahre) |
(4) |
steuerfreie und nicht entnommene, mit dem persönlichen Steuersatz versteuerte Gewinne der Vorjahre. |
Wie bereits in s Rn 90 ausgeführt, birgt die vorliegende Verwendungsreihenfolge die Gefahr, dass steuerfreie Gewinne, die nicht sofort im Entstehungsjahr entnommen werden, sondern zu einem späteren Zeitpunkt in künftigen VZ entnommen werden, eine Nachversteuerung auslösen, sofern nachversteuerungspflichtige Beträge aus Vorjahren vorhanden sind.
Rn. 132
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Auch wenn diese Verwendungsreihenfolge nicht explizit vom Gesetzgeber dargelegt wurde – weder in der Gesetzesbegründung noch im Gesetz selbst –, so lässt sich in einer Gesamtbetrachtung der Gesetzessystematik ableiten, dass der Gesetzgeber die Anwendung des Lifo-Prinzips (last-in-first-out) in der Vorschrift verankern wollte. Ob dies der ursprünglichen Intention der Stärkung des EK zuträglich ist, kann zumindest bezweifelt werden. Jedenfalls ist ausgehend von der obigen Verwendungsreihenfolge festzuhalten, dass StPfl gut beraten sind, etwaige steuerfreie Gewinne direkt im Jahr der Entstehung zu entnehmen und darüber hinaus den stpfl Gewinn des laufenden Jahres zu entnehmen, wenn Letzterer nicht Gegenstand der Thesaurierungsbegünstigung werden soll.
Rn. 133
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Begünstigt besteuerte Gewinne sind vorrangig vor steuerfreien oder normal besteuerten Gewinnen der Vorjahre zu entnehmen, weshalb vereinzelt auch der Begriff des Bifo-Prinzips (begünstigt-in-first-out) vorzufinden ist (s Hölzerkopf/Taetzner, Steuerfalle für PersGes? Die neue Verwendungsreihenfolge des § 34a EStG heißt BiFo, BB 2007, 2769). Hierdurch kommt es in Bezug auf steuerfreie Gewinne und normal besteuerte Gewinne aus Vorjahren zu einem sog Lock-In-Effekt. Inwiefern der faktische Lock-In-Effekt vom Gesetzgeber intendiert war und inwiefern er mit dem Ziel der Stärkung des EK im Einklang steht, darüber wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Bäuml in Kanzler/Kraft/Bäuml, § 34a EStG Rz 212 ff, 1. Aufl 2016 geht davon aus, dass das BMF mit der in BMFv 11.08.2008, BStBl I 2008, 838 Rz 29 festgelegten Verwendungsreihenfolge die Intention des Gesetzgebers, nämlich die Stärkung des EK, konterkariert und hierdurch zudem eine annähernde Belastungsgleichheit zwischen PersGes und KapGes verfehlt wird. Dörfler (s Vorauflage Rn 114) geht (in Anlehnung an Gragert/Wissborn, Die Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG, NWB 2007 F 3, 14 621, 14 638) davon aus, dass durch die vorrangige Entnahme von "Altgewinnen" eine Vielzahl von "Vorratsfeststellungen" für Einzel- und Mitunternehmer resultiert wären, die einen unverhältnismäßigen Mehraufwand bei der FinVerw zur Folge hätten. Zur Kompensation der negativen Folgen dieser Verwendungsreihenfolge hätte der Gesetzgeber mehrere Ausnahmen der Nachversteuerung geschaffen.
Rn. 134
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Die Problematik aus zwei unterschiedlichen Perspektiven beleuchtend, kommen die Autoren jedoch darin überein, dass eine gesonderte Feststellung vollversteuerter Altgewinne sowie deren steuerfreie Entnahme auf Antrag ermöglicht werden sollte. Dem ist mE vollumfänglich zuzustimmen, wenn schon keine Änderung der Verwendungsreihenfolge gewünscht ist, denn diese zusätzliche Feststellung ließe sich verfahrensrechtlich über § 34a Abs 10 EStG abbilden.
Die Tatsache, dass sich hierdurch eine weitere Verkomplizierung der Vorschrift bzw zusätzlicher Mehraufwand bei der FinVerw ergeben würde, dürfte bei der ohnehin komplexen Vorschrift des § 34a EStG nicht weiter ins Gewicht fallen. Jedenfalls würde diese punktuelle Anpassung der Vorschrift durch den Gesetzgeber oder zumindest eine seitens des BMF angepasstes BMF-Schreiben mehrere Vorteile bieten. Einerseits dürfte der Gesetzgeber seinem ursprünglichen Ziel der Stärkung des EK sowie der Annäherung der Belastungsgleichheit zwischen PersGes und KapGes näher kommen und zum anderen StPfl mehr Flexibilität bei der Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung einräumen, da StPfl nach gegenwärtigem Stand für die Inanspruchnahme der Thesaurierungsbegünstigung bestraft werden, wenn sie zudem noch vollversteuerte Altgewinne im Unternehmen belassen, die sie nicht rechtzeitig entnommen haben. De facto ist es nämlich so, dass Unternehmer, die vollversteuerte Gewinne (ohne Inanspruchnahme des § 34a EStG) im Einzelunternehmen oder in der PersGes thesaurieren – wohl gemerkt mit dem ohnehin im Vergleich zu KapGes höheren persönlichen ESt-Satz - für die Stärkung des EK in ihrem Unterneh...