a) Die Entscheidung des EuGH v 28.02.2013, C-168/11, BStBl II 2015, 431 (Rechtssache Beker)
Rn. 46
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Nach § 34c Abs 1 S 2 EStGaF (grds bis 31.12.2014) war die Summe der Einkünfte Aufteilungsmaßstab zur Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages der ausländischen Steuer. Durch den Begriff "Summe der Einkünfte" (§ 2 Abs 3 EStG) wurden damit SA und ag Belastungen (s § 2 Abs 4 EStG) als Kosten der persönlichen Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände nicht berücksichtigt, wohl aber bei der tariflichen ESt (s § 2 Abs 5 EStG). Somit seien unbeschränkt StPfl, die einen Teil ihrer Einkünfte im Ausland bezogen haben, benachteiligt gegenüber solchen, die ihre gesamten Einkünfte im Inland bezogen hatten, da bei ersteren diese Kosten der persönlichen Lebensführung und der personen- und familienbezogenen Umstände nicht vollständig berücksichtigt würden. Auf das Vorabentscheidungsersuchen des BFH BStBl II 2011, 500 erklärte der EuGH in dieser Entscheidung diese Regelung für gemeinschaftsrechtswidrig (Verstoß gegen Art 63 AEUV = Kapitalverkehrsfreiheit). Dass stattdessen der StPfl auch die Abzugsmethode wählen konnte, beseitigte nach Ansicht des EuGH diese Europarechtswidrigkeit nicht.
Rn. 46a
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
In Fortführung dieser EuGH-Entscheidung hielt auch der BFH (BFH v 18.12.2013, I R 71/10, BStBl II 2015, 361) § 34c Abs 1 S 2 EStG für unionsrechtswidrig (Verstoß gegen Kapitalverkehrsfreiheit, Art 64 AEUV) und ordnete eine "geltungserhaltende" Berechnung des Höchstbetrages so an, dass diese steuerlich abzugsfähigen personen- und familienbezogenen Positionen (insb SA, ag Belastungen, Altersentlastungsbetrag, Grundfreibetrag) zu berücksichtigen sind. Das gelte nicht nur für Einkünfte aus EU-Mitgliedstaaten, sondern auch für solche aus Drittstaaten.
Rn. 46b
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Die FinVerw reagierte mit einer Übergangslösung bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung (BMF v 04.05.2015, BStBl I 2015, 452, überholt daher BMF v 30.09.2013, BStBl I 2013, 1612). S auch LfSt RP v 04.05.2015, S 0338/2-St 33 3, DStR 2015, 1689.
b) Die Reaktion des Gesetzgebers
Rn. 46c
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Art 5 Nr 16 des G zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (ZollkodexAnpG v 22.12.2014, BGBl I 2014, 2417) fasste aufgrund der unter s Rn 46 genannten EuGH-Entscheidung § 34c Abs 1 S 2 u S 3 Hs 1 EStG neu.
Rn. 46d
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Der Anrechnungshöchstbetrag wird nach der Neuregelung künftig in der Weise ermittelt, dass ausländische Steuern höchstens mit der durchschnittlichen tariflichen deutschen ESt auf die ausländischen Einkünfte angerechnet werden. Es kommt somit nicht mehr auf das Verhältnis zwischen ausländischen Einkünften und der Summe der Einkünfte an, s BT-Drucks 18/3017, 50 ("Systemwechsel"), es wird stattdessen die deutsche Steuer berücksichtigt, die auf diese ausländischen Einkünfte entfällt. Damit kommt es mE grds zu keiner Benachteiligung dieser ausländischen Einkünfte mehr gegenüber inländischen Einkünften, indem auf die ausländische Steuer der (Durchschnitts-)Steuersatz (s Rn 46h) angewendet wird, dem sie iRd zvE tatsächlich unterliegen (BT-Drucks 18/3017, 50).
Konsequenterweise wird daher in § 34c Abs 1 S 3 Hs 1 EStG auch nicht mehr auf die Summe der Einkünfte Bezug genommen. Allerdings weist Möller, BB 2015, 98 darauf hin, dass betr des Grundfreibetrages die Neuregelung einen Anrechnungsüberhang nicht ausschließe und es insoweit noch zu Diskriminierung von Beziehern ausländischer Einkünfte kommen könne. ME reicht dies aber nicht aus, nach wie vor eine Europarechtswidrigkeit der Vorschrift anzunehmen. Zur Rechtsentwicklung s auch Siegle, DStR 2015, 508.
c) Anwendungszeitraum der Neuregelung
ca) Der Grundsatz
Rn. 46e
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Die Neuregelung gilt grdslab VZ 2015 (Art 16 Abs 2 des G zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (ZollkodexAnpG v 22.12.2014, BGBl I 2014, 2417).
cb) Berücksichtigung nicht bestandskräftiger Altfälle bis einschließlich VZ 2014
Rn. 46f
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Bei noch nicht bestandskräftigen ESt-Festsetzungen betr VZ bis einschließlich 2014 wird dem EuGH-Urteil dadurch Rechnung getragen, dass an die Stelle der Wörter "Summe der Einkünfte" die Wörter "Summe der Einkünfte abzüglich des Altersentlastungsbetrages (§ 24a EStG), des Entlastungsbetrages für Alleinerziehende (§ 24b EStG), der SA (§§ 10, 10a, 10b, 10c EStG), der ag Belastungen (§§ 33–33bEStG), der berücksichtigten Freibeträge für Kinder (§§ 31, 32 Abs 6 EStG) und des Grundfreibetrages (§ 32a Abs 1 S 2 Nr 1 EStG)" treten (Art 5 Nr 23c des G = § 52 Abs 34a EStG nF). Dies entspricht den Vorgaben des BFH v 18.12.2013, I R 71/10, BStBl II 2015, 361, auf die der Gesetzgeber ausdrücklich Bezug nimmt (BT-Drucks 18/3017, 51). Eine Rückwirkung der Neuregelung darüber hinaus ist nicht vorgesehen (BT-Drucks 18/3017, 51), mE auch europa- und verfassungsrechtlich nicht geboten.
d) Bsp für die Anrechnungsformel nach neuer Rechtslage (H 34c Abs 3 EStH 2018):
Rn. 46g
Stand: EL 144 – ET: 07/2020
Beispiel 2 (H 34c Abs 3 EStH 2018):
Ein verheirateter StPfl, der im Jahre 2005 das 65. Lebensjahr vollendet hatte, hat im Jahr 2018
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