Rn. 118
Stand:
Die Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates v 12.07.2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes – ABl L 193 v 19.07.2016, S 1 (Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie/ATAD), geändert durch Artikel 1 der Richtlinie (EU) 2017/952 des Rates v 29.05.2017 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2016/1164 bezüglich hybrider Gestaltungen mit Drittländern (ABl L 144 v 07.06.2017, 1), enthält rechtlich verpflichtende Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung, die von allen Mitgliedstaaten gegen gängige Formen aggressiver Steuerplanung angewendet werden müssen.
Das ATADUmsG v 25.06.2021 (BGBl I 2021, 2035) ist am 30.06.2021 im BGBl verkündet worden, die Neuregelung in § 36 Abs 5 EStG ist damit gem Art 7 des ATADUmsG zum 01.07.2021 in Kraft getreten. Danach sind weitere Ergänzungen eingeführt worden, die zu höheren Anforderungen für die Nutzung dieser Vergünstigung führen.
Der aktuelle § 36 Abs 5 S 4 EStG nennt fünf verschiedene Ereignisse, die zu einer Fälligkeit der restlichen Steuerschuld innerhalb eines Monates führen:
(1) |
Ein WG iSd § 36 Abs 5 S 1 EStG wird veräußert, entnommen, in einen Staat außerhalb der EU bzw des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) verbracht oder verdeckt in eine KapGes eingelegt, |
(2) |
Einstellung oder Veräußerung des (Teil-)Betriebes oder Verlagerung außerhalb der EU bzw des EWR, |
(3) |
Ausscheiden des StPfl aus der inländischen unbeschränkten StPfl oder der unbeschränkten StPfl in einem der in Staaten der EU bzw des EWR oder Begründung der Ansässigkeit außerhalb der EU und des EWR, |
(4) |
Insolvenz des StPfl, Anmeldung bzw Abwicklung, |
(5) |
Nichteinhaltung der Ratenzahlungen und ausbleibende Abhilfe innerhalb von 12 Monaten. |
Ob man im Falle der Alt (1) die Änderung der Fälligkeit auf die steuerlichen Auswirkungen der Veräußerung etc eines einzelnen WG beschränken kann (so offenbar Loschelder in Schmidt, § 36 EStG Rz 30 (43. Aufl 2024)), erscheint zweifelhaft. Sicher wirkt es zunächst einmal unverhältnismäßig, die gesamten Restschulden sofort fällig zu stellen, wenn nur ein unbedeutendes WG zB entnommen worden sein sollte. Andererseits ist aber auch kein Maßstab für eine sinnvolle Abgrenzung ersichtlich.
Außerdem vermeidet eine wörtliche Auslegung hier steuerliche Gestaltungsversuche. Im Übrigen bezieht sich § 36 Abs 5 S 1 EStG auf § 16 Abs 3a EStG, der als Kriterium für die Aufgabe des Gewerbebetriebes die "Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter" nennt.
Fraglich ist bei der Fälligkeit der noch nicht entrichteten Steuern nur der Zeitpunkt des Eintretens des auslösenden Ereignisses bei der Alt (5) des § 36 Abs 5 S 4 EStG, weil einerseits ein angemessener Zeitraum für die Abhilfe nicht überschritten werden darf, andererseits eine absolute Zeitspanne von maximal 12 Monaten festgelegt ist. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wird man deshalb verlangen müssen, dass das FA hierzu einen entsprechenden Bescheid erlässt (ebenso Loschelder in Schmidt, § 36 EStG Rz 30 (43. Aufl 2024)).
Wenn sich die festgesetzte Steuer ändert, sind die Jahresraten entsprechend anzupassen. Zwar ist der StPfl idR in der Lage, diese Berechnung selbst vorzunehmen, aber das FA muss ohnehin die Sollstellung korrigieren und braucht dazu eine Handlungsgrundlage in Form eines geänderten Abrechnungsbescheides.
Dem StPfl obliegt eine Anzeigepflicht für alle Umstände, die Einfluss auf die Ratengewährung haben.
Die Anzeige ist unverzüglich zu erstatten, sobald eine Situation gem § 36 Abs 5 S 4 EStG eintritt, die zur Fälligkeit der noch nicht entrichteten Steuer führt (§ 36 Abs 5 S 7 EStG). Sofern keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung besteht, ist die Anzeige zum 31.07. des Jahres abzugeben, ansonsten iRd nächsten Steuererklärung. Gleiches gilt für erklärungspflichtige StPfl bei einem Ereignis nach § 36 Abs 5 S 4 Nr 1 EStG (Entnahme oder Veräußerung eines WG).
Ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht oder Verletzung sonstiger Mitwirkungspflichten führt zur Fälligkeit der noch nicht entrichteten Jahresraten gem § 36 Abs 5 S 6 Hs 2 EStG mit rückwirkender Fälligkeit zum 01.08. des vorangegangenen Jahres.