Dr. Carl Ulrich Hildesheim
Rn. 45
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Zur Anpassung von Vorauszahlungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie s Rn 94.
Außerhalb dieser Corona-Sonderregelungen gelten folgende Grundsätze:
Durch die Anpassung der Vorauszahlungen soll das FA möglichst beweglich vorab bereits eine Steuererhebung durchführen, die dem späteren Veranlagungsergebnis nahekommt. Unverhältnismäßig hohe Vorauszahlungen werden durch die Möglichkeit der Anpassung in § 37 Abs 3 S 3 EStG grds vermieden (BFH BStBl II 2012, 329). Ziel des § 37 Abs 3 S 3 EStG ist es, dass die Vorauszahlungen weitgehend der späteren Veranlagungsschuld entsprechen, sie also weder aus Sicht des StPfl zu hoch noch aus Sicht des Fiskus zu niedrig sind.
Hierdurch soll die wegen des progressiven Tarifs dem Steuersystem innewohnende antizyklische Wirkung verbessert werden. Andererseits kann auch der StPfl eine Rückführung festgesetzter Vorauszahlungen an die zu erwartende Jahressteuerschuld erreichen.
Es handelt sich um eine neben § 168 AO bestehende Korrekturbefugnis, die allerdings mit ihren zeitlichen Grenzen auch die Anwendung dieser Änderungsnorm begrenzt.
Eine Anpassung kann von Amts wegen oder auf Antrag des StPfl erfolgen. Beantragt der StPfl die Erhöhung der Vorauszahlungen, so ist die 15-Monatsfrist des § 37 Abs 3 S 3 EStG zu beachten (BFH BFH/NV 2002, 1567 und s Rn 48 aE).
Eine freiwillige Zahlung kann als Antrag auf Anpassung ausgelegt werden (offengelassen FG Nbg v 06.06.2016, 4 K 1510,/15, NZB unzulässig, BFH BFH/NV 2017, 919; zur Entscheidung über die Anpassung s Rn 49 und zu den zeitlichen Grenzen einer Anpassung s Rn 48); leistetet ein StPfl (zB nach Abgabe der ESt-Erklärung) eine freiwillige Zahlung nach Ablauf der Karenzzeit (Zeitraum vor Beginn des Zinslaufs, vgl hierzu AEAO zu § 233a AO Nr 6), ohne zuvor einen Antrag auf Anpassung der Vorauszahlungen zu stellen, so begründet diese Zahlung keinen Anspruch auf Verzinsung gemäß § 233a AO; ein Zuwiderhandeln des FA gegen AEAO zu § 233a AO Nr 17, 25 wirkt sich nicht auf die Berechnung der Zinsen im Rahmen des § 233a AO aus (FG Nbg v 06.06.2016 aaO).
Zur Erhöhung der Vorauszahlungen s Rn 51 und 65 ff und zu den Betragsgrenzen bei Erhöhung festgesetzter Vorauszahlungen s § 37 Abs 5 S 2 EStG und s Rn 74; zur Herabsetzung der Vorauszahlungen s Rn 51.
Entsprechend den gewöhnlichen AO-Regeln soll gemäß § 91 AO der StPfl zuvor gehört werden, wenn die die Vorauszahlungen – als belastender VA – heraufgesetzt werden sollen; dies kann ggf bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden, § 126 Abs 2 AO iVm § 126 Abs 1 Nr 3 AO.
Im Anpassungsverfahren ist der StPfl nach § 90 AO auskunftspflichtig; erkennt er die Unrichtigkeit seiner Auskunft, muss er diese unverzüglich berichtigen, um nicht Gefahr zu laufen, eine Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO zu begehen (Gosch/Avvento in Kirchhof/Seer, § 37 EStG Rz 13, 20. Aufl; auch s Rn 46).
Rn. 46
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Der StPfl ist nicht verpflichtet, von sich aus Umstände anzuzeigen, die zu einer Erhöhung der Vorauszahlungen führen könnten; auch muss er keinen Antrag auf Erhöhung stellen. Stellt er allerdings einen Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen, müssen seine Angaben – den allgemeinen Grundsätzen folgend – richtig und vollständig sein (Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 37 EStG Rz 87 (April 2021); zur Steuerhinterziehung s BFH BStBl II 1997, 600 und s Rn 46a).
Rn. 46a
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Als Gründe für eine Anpassung kommen alle Umstände in Betracht, die zu einer von der der bisherigen Festsetzung der Vorauszahlungen abweichenden voraussichtlichen Jahressteuerschuld führen. Dabei sind steuermindernde und steuererhöhende Umstände umfassend zu berücksichtigen, und die Auswirkungen sind zu saldieren. Die Praxis beschränkt sich meist nur auf eine eingeschränkte Prüfung mit den Auswirkungen des Einzelumstands. Gründe können zB sein ein größeres oder geringeres Einkommen als im vorigen VZ, der Wegfall oder die Einführung von Vergünstigungen, der Anfall eines Veräußerungsgewinns, außergewöhnliche Belastung, höhere oder niedrigere Sonderausgaben etc (zum Ganzen Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 37 EStG Rz 88 (April 2021)).
Ein bewusst selektiver Tatsachenvortrag kann Steuerhinterziehung sein; vgl OLG Stuttgart, wistra 1987, 263. Das bedeutet etwa, dass nicht nur einkommensmindernde, sondern auch einkommenserhöhende Tatsachen anzugeben sind. Gleiches gilt, wenn der StPfl aufgrund der Angabe unzutreffender Einkünfte die Herabsetzung der Vorauszahlungen erreicht (FG Nbg v 21.07.2000, VII 290/98). Für die Erfüllung des objektiven Tatbestands der Hinterziehung von ESt-Vorauszahlungen ist es ausreichend, wenn eine Tathandlung bewirkt, dass die tatsächlich geschuldeten Vorauszahlungen im Vorauszahlungsbescheid in unzutreffender Höhe festgesetzt werden. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die zu niedrige Festsetzung der Vorauszahlungen auf einer unrichtigen ESt-Erklärung oder auf den unrichtigen Angaben in einem Antrag auf Herabsetzung de...