Dr. jur. Lukas Karrenbrock
1. Zielsetzung der Vorschrift
Rn. 132
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Nach der Rspr des BFH konnten bis einschließlich VZ 2010 Aufwendungen (zB Veräußerungskosten, AK, Liquidationsverluste) aus einer einnahmelosen Beteiligung in voller Höhe abgezogen werden, wenn keine Einnahmen auf der Vermögens- oder Ertragsebene (und auch keine vGA) zugeflossen waren (BFH v 25.06.2009, IX R 42/08, BStBl II 2010, 220 sowie die weiteren Entscheidungen des BFH v 18.03.2010, IX B 227/09, BStBl II 2010, 627; BFH v 01.10.2014, IX R 13/13, BFH/NV 2015, 198). Mit der Entscheidung v 25.09.2009 hatte der BFH die Frage geklärt, dass kein doppelter steuerlicher Vorteil iSd § 3c Abs 2 EStG gegeben sei, wenn dem StPfl keinerlei Einnahmen – auch keine aus der Beteiligung als solche – zugeflossen sind.
Rn. 133
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Die FinVerw vertrat die gegenteilige Auffassung und reagierte auf die Entscheidung des BFH mit einem Nichtanwendungserlass (BMF v 15.02.2010, BStBl I 2010, 181). Mit Beschluss vom 18.03.2010 entschied der BFH erneut, dass die Aufwendungen voll abzugsfähig sind, wenn dem StPfl keinerlei durch seine Beteiligung vermittelnden Einnahmen zufließen (BFH IX B 227/09, BStBl II 2010, 627). Die FinVerw hat sich daraufhin der Ansicht des BFH angeschlossen und die Rspr angewendet (BMF v 28.06.2010, BStBl I 2010, 599; OFD Nds v 11.05.2012, DB 2012, 1898).
Durch die Einführung des § 3c Abs 2 S 2 EStG aF (§ 3c Abs 2 S 7 EStG nF) durch das JStG 2010 soll nach dem Willen des Gesetzgebers das Teilabzugsverbot nunmehr auch bei einnahmelosen Beteiligungen greifen. Nach der Gesetzesbegründung würde ein Verzicht auf diese Gesetzesänderung zu erheblichen Steuermindereinnahmen – insb seit Einführung der AbgSt – führen (BT-Drucks 17/2249, 50). Dies hätte bei Nichtausübung der Option nach § 32d Abs 2 Nr 3 EStG zur Folge gehabt, dass Wertverluste (zB infolge einer ausschüttungsbedingten Wertminderung) in voller Höhe abziehbar wären (Benecke/schnittger, IStR 2010, 432 (433)). Zudem sei die Rspr des BFH nicht praktikabel, da eine laufende rückwirkende Anpassung erforderlich sei, wenn in späteren Jahren Einnahmen anfallen (BT-Drucks 17/2249, 50).
Rn. 134
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Nach einer weiteren Entscheidung des BFH war das anteilige Abzugsverbot ebenfalls nicht anwendbar, wenn objektiv wertlose Anteile zu einem symbolischen Kaufpreis von EUR 1 verkauft wurden (BFH v 06.04.2011, IX R 61/10, BStBl II 2012, 8). Beruht der Kaufpreis von EUR 1 hingegen auf einer Wertermittlung und spiegelt den Wert der Beteiligung wider, liegt nach Auffassung der FinVerw eine schädliche Einnahme vor mit der Folge, dass das Teilabzugsverbot Anwendung findet (OFD Nds v 11.05.2012, DStR 2012, 1387).
Ein Unterschied zum Fall des BFH gegenüber der Ansicht der OFD Nds folgt aus dem Umstand, dass der Kaufpreis nicht symbolisch ist, sondern tatsächlich dem Wert der Beteiligung entspricht. Ergibt die Kaufpreisermittlung auch nur einen geringfügigen, positiven Saldo (Aktiva übersteigen die Passiva), so ist die Beteiligung nicht einnahmelos mit der Folge, dass § 3c Abs 2 EStG anzuwenden ist.
2. Zeitlicher und sachlicher Anwendungsbereich
Rn. 135
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Die Rspr des BFH wird für Zeiträume bis einschließlich VZ 2010 angewendet, da die FinVerw ihren Nichtanwendungserlass v 15.02.2010 im Hinblick auf die Neuregelung des § 3c Abs 2 EStG aufgehoben hat (BMF v 28.06.2010, BStBl I 2010, 599). Verluste aus einnahmelosen Beteiligungen, die noch bis 2010 angefallen sind, können daher in vollem Umfang abgezogen werden. Nach der anteilsbezogenen Sichtweise ist das Teilabzugsverbot nur auf die Anteile anzuwenden, die auch entsprechende Einnahmen vermittelt haben (Nacke, FR 2011, 699 (703)).
Rn. 136
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Die Neuregelung des § 3c Abs 2 S 7 EStG nF kommt ab VZ 2011 zur Anwendung und wurde durch das JStG 2010 neu eingefügt (§ 3c Abs 2 S 2 EStG idF JStG 2010). Nach § 52 Abs 8a S 3 EStG idF JStG 2010 sind ab VZ 2011 die entstandenen Verluste nur noch zu 60 % abziehbar.
Für die zeitliche Anwendung der Neuregelung ist maßgeblich, wann die Aufwendungen (zB Auflösungsverlust nach § 17 Abs 4 EStG) entstanden sind. Es genügt, dass die Einnahmeerzielungsabsicht lediglich zu irgendeinem Zeitpunkt während des Bestehens der Beteiligung an der KapGes (auch für VZ vor 2011) vorgelegen hat (BFH v 02.09.2014, IX R 43/13, BStBl II 2015, 257, ausführlich zur zeitlichen Anwendung s Vorinstanz FG Nds v 06.09.2013, 3 K230/13, EFG 2014, 118). Ein Auflösungsverlust entsteht, wenn Auskehrungen abgewickelt sind und nachträgliche AK feststehen, regelmäßig mit Abschluss der Liquidation (Weber-Grellet in Schmidt, § 17 EStG Rz 224, 39. Aufl). Von diesem Grundsatz weicht der BFH nur ab, wenn die Auskehrung von weiterem Vermögen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (st Rspr zuletzt BFH v 21.10.2014, VIII R 48/12, BStBl II 2015, 270 (272)).
Rn. 137
Stand: EL 147 – ET: 11/2020
Beispiel 1:
G ist zu 100 % an der GmbH beteiligt. Bisher hat G keine Einnahmen aus seiner Beteiligung erzielt. G beschließt am 30.06.2010 die Liquidation der GmbH. Die Abwicklung ...