Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 2217
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Die Notwendigkeit und das Recht zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen und damit auch des Gewinns ergeben sich aus der Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen, § 88 AO für die Verwaltung und § 76 FGO für das FG.
Gesetzliche Grundlage für die Befugnis zur Schätzung sind besonders § 162 AO für die Verwaltung und § 96 Abs 1 S 1 FGO iVm § 162 AO für das FG (BFH BStBl II 1984, 504 zu I.1.; BFH BStBl II 1983, 226; 1982, 430; 2006, 578). Das FG kann sich aber darauf beschränken, im Ergebnis die Schätzung des FA zu bestätigen (BFH BFH/NV 2001, 610; BFH vom 25.07.2003, XI B 210/02; BFH BFH/NV 2006, 1338). Es kann sich dann darauf beschränken, den substantiierten Einwendungen gegen die Schätzung des FA nachzugehen (BFH BFH/NV 2006, 326). Die Entscheidung des FG braucht nicht durch ein Sachverständigengutachten vorbereitet werden (BFH BFH/NV 2007, 1167; 2009, 717). Insbesondere muss die Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zulässig ist, ebenso wie die Bestimmung der maßgeblichen Schätzungskriterien weder regelmäßig noch in bestimmten Einzelfällen durch ein Sachverständigengutachten vorbereitet werden (BFH BFH/NV 2005, 224; 2007, 1167; 2009, 717).
Hält das FG die Schätzung des FA für rechtswidrig, so hat es eine eigene Schätzung vorzunehmen (BFH BStBl II 2006, 578). Es besteht keine Bindung an das Schätzungsergebnis eines anderen Senats des FG (BFH BFH/NV 2011, 1838). Die Schätzungsbefugnis besteht auch im Aussetzungsverfahren (FG D'dorf vom 23.08.2010, 17 V 972/10 A (E, G, U, F)). Es besteht auch keine Bindung an eine Schätzung, die das Strafgericht vorgenommen hat (FG Ha EFG 2019, 1353, rkr). Aufgrund der Eigenständigkeit des Besteuerungsverfahrens gegenüber dem Strafverfahren gemäß § 393 Abs 1 AO kann selbst ein Freispruch im Strafverfahren das FG nicht daran hindern, das Tatgeschehen und die Beteiligung des StPfl eigenständig zu werten (BFH BFH/NV 2013, 1588).