Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 1669
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Der Begriff "Geschenk" in § 4 Abs 5 S 1 Nr 1 EStG entspricht nach Ansicht mehrerer Senate des BFH demjenigen der bürgerlich-rechtlichen Schenkung (§ 516 BGB; BFH BFH/NV 2011, 650; 2020, 207; 2020, 1258; BStBl II 1982, 394; 1993, 806 mwN). Dies hat zur Folge, dass es sich nicht nur objektiv um eine unentgeltliche Zuwendung handelt, sondern auch subjektiv. Denn bei einem Schenkungsvertrag müssen sich beide Parteien einig sein, dass es sich um ein unentgeltliches Geschäft handeln muss (subjektives Element). Geht nur eine Partei von einer entgeltlichen Zuwendung aus, so handelt es sich nicht um ein Geschenk (BFH BStBl II 1986, 161; 1987, 296; 1993, 806; BFH/NV 1988, 352; aA BFH BStBl II 1982, 394, wo allein auf den Willen des Leistenden abgestellt wird; FG BdW EFG 1991, 181; FG Mchn EFG 2010, 1403, wonach bei Geschenken "idR" Einigkeit über die Unentgeltlichkeit besteht; H 4.10 Abs 2–4 EStH 2021 "Geschenk").
Nach anderer Auffassung ist dieser Begriff steuerrechtlich eigenständig zu bestimmen. Dafür spreche die von § 518 BGB abweichende Wortwahl. Ein Geschenk sei danach als eine betrieblich veranlasste vermögenswerte Zuwendung zu definieren, die nach dem Willen des Gebers unentgeltlich, dh ohne rechtliche Verpflichtung des Empfängers zu einer hinreichend konkretisierten Gegenleistung, erbracht wird (BFH BStBl II 1982, 394; K/S/M, § 4 EStG Rz G 27). Der zuletzt genannten Ansicht ist zuzustimmen. Zwar kann der bürgerlich-rechtliche Begriff der Schenkung als Ausgangspunkt für den steuerrechtlichen Schenkungsbegriff dienen; doch ob der zivilrechtliche Begriff die gleichen steuerrechtlichen Wertungen berücksichtigt, ist erst zu prüfen. Hier spricht aber für eine Beschränkung auf die Geberansicht, dass es nicht in der Hand des Empfängers einer Zuwendung liegen kann, ob es sich um eine Schenkung iSd § 4 Abs 5 S 1 Nr 1 EStG handelt. Im Übrigen wird nach § 41 Abs 1 S 1 AO auch nicht darauf abgestellt, ob eine zivilrechtliche Einigung der Beteiligten als schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäft vorliegt, wenn man sich einig ist, dass das Rechtsgeschäft als gültig zu behandeln ist.
Ob eine Schenkung vorliegt, ist weiterhin unabhängig davon zu beantworten, ob eine sittenwidrige oder verbotene Zuwendung vorliegt. Zugaben iSd vormaligen ZugabeVO sind aber keine Geschenke (BFH BFH/NV 2011, 650).
Die zugewandten Leistungen sind nur insoweit Geschenke iSd § 4 Abs 5 S 1 Nr 1 EStG, soweit die Einzelzuwendung nicht unter ein anderes Abzugsverbot fällt. So sind zugewendete Reiseleistungen in Beförderungsleistungen (= Geschenke) und Bewirtungsleistungen (Fall des § 4 Abs 5 S 1 Nr 2 EStG) aufzuteilen (FG BBg EFG 2016, 317 mit Anm Herbert).
Dass ein Dritter dem Schenker die Kosten des Geschenks erstattet, führt zu keiner anderen Sachbehandlung, weil sonst das gesetzliche Abzugsverbot im Ergebnis unterlaufen werden könnte; könnte sich der StPfl nicht abziehbare Aufwendungen von einem Geschäftspartner steuerfrei erstatten lassen, so müsste er diese Aufwendungen im Ergebnis nicht aus versteuertem Einkommen bestreiten, was mit dem Zweck des Abzugsverbots nicht vereinbar wäre (vgl BFH BFH/NV 2003, 1555; 2020, 1258).