Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
a) Bindung an die GoB
aa) Allgemeine (materielle) Maßgeblichkeit
Rn. 326
Stand: EL 134 – ET: 02/2019
Die steuerliche Gewinnermittlung erfolgt im Wege des BV-Vergleichs (§ 4 Abs 1 S 1 EStG). Materiell entscheidende Größe für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlage (s Rn 49) ist das BV, das nach § 5 Abs 1 S 1 EStG "nach den handelsrechtlichen GoB auszuweisen ist". Mit der Verweisung des § 5 Abs 1 S 1 EStG auf die handelsrechtlichen GoB sind kodifizierte und nicht kodifizierte GoB (durch Verweis der §§ 238 Abs 1 S 1, 243 Abs 1 S 1 HGB) in Bezug genommen (stellvertretend Gräbe, Das Maßgeblichkeitsprinzip vor dem Hintergrund des BilMoG, 2012, 141 mwN) und damit materiell maßgeblich für die steuerliche Gewinnermittlung, sofern dem nicht besondere steuerrechtliche Gewinnermittlungsgrundsätze, explizite abweichende steuergesetzliche Bestimmungen oder der steuerliche Wahlrechtsvorbehalt entgegenstehen. Der Verweiseinschluss auch nicht kodifizierter GoB hat weder eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Unbestimmtheit des § 5 Abs 1 EStG zur Folge noch führt er zu einer Verletzung des Gebots der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, da mit den kodifizierten GoB auch der Rahmen für die ergänzenden, nicht kodifizierten GoB hinreichend bestimmt ist (aA Pfahl, Die Maßgeblichkeit der HB, ein dem Steuerbilanzrecht vorgegebenes Grundprinzip?, 1999, 202). Eine Fortentwicklung kodifizierter wie nicht kodifizierter GoB wirkt infolge der dynamischen GoB-Verweisung in den Grenzen der Maßgeblichkeit damit auch im Steuerrecht, sofern der Gesetzgeber dem jeweils nichts entgegensetzt.
Streitig ist, ob der GoB-Verweis lediglich die rechtsform- und branchenunabhängig für alle Kaufleute geltenden handelsrechtlichen Grundsätze einschließt oder darüber hinaus auch rechtsform-/branchenspezifische GoB umfasst. Dies wird mit Hinweis auf mangelnde Vereinbarkeit der Maßgeblichkeit rechtsform-/branchenspezifischer GoB mit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zT abgelehnt (zB Beisse, DStZ 1998, 314; Schulze-Osterloh, DStJG 14 (1991), 129; Ballwieser, FS Budde, 1995, 48f; Hennrichs, StuW 1999, 150; inzwischen abgeschwächt Hennrichs in Tipke/Lang, 23. Aufl 2018, § 9 Rz 56). Rspr und FinVerw gehen demgegenüber zutreffend davon aus, dass durch § 5 Abs 1 S 1 Hs 1 EStG auch rechtsform-/branchenspezifische Grundsätze Eingang in die steuerliche Gewinnermittlung finden, soweit diesen GoB-Qualität beizumessen ist (zu rechtsformspezifischen GoB BFH v 30.11.2005, I R 26/04, BFH/NV 2006, 616; BFH v 25.08.2010, I R 103/09, BStBl II 2011, 215; BFH v 01.12.2012, I R 69/11, BStBl II 2017, 1232 unter III.1; BFH v 06.02.2013, I R 62/11, BStBl II 2013, 954 unter II.1; zu branchenspezifischen GoB BFH v 06.05.2015, I R 7/14, BFH/NV 2016, 69 unter II.1; BFH v 07.09.2016, I R 23/15, BStBl II 2017, 472 unter II.2 mwN zum Schrifttum). Die Annahme grds fehlender Gleichmäßigkeit der Besteuerung lässt sich insb infolge der – durch gleichmäßig wirkende steuerliche Ansatz- u Bewertungsvorbehalte – an entscheidenden Stellen nur begrenzten steuerlichen Konsequenzen der Maßgeblichkeit auch rechtsform-/branchenspezifischer GoB nicht halten. Die wesentliche Problematik des Verweisungseinschlusses liegt allerdings darin, rechtsform-/branchenspezifische Regelungen mit GoB-Qualität zu identifizieren. Nicht geklärt ist etwa der GoB-Rang der für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute einschlägigen Zurechnungsanordnungen für Pensionsgeschäfte iSd § 340b HGB (dazu Haisch in H/H/R, § 5 EStG, Rz 1560 mwN (April 2018)).
GoB-Rang des § 340b HGB bejahend wird etwa für unechte Pensionsgeschäfte zT ohne weitere Differenzierungen eine von allg Zurechnungsgrundsätzen (§ 246 Abs 1 S 2 HGB, § 39 AO) abweichende ununterbrochene Zurechnung des Pensionsguts zum Pensionsgeber vertreten (zB Florstedt, FR 2016, S 649; Schmidt/Ries in Beck'scher Bilanz-Komm, 11. Aufl 2018, § 246 Rz 24f; ebenso für das Steuerrecht zB Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz 1082 (Juni 2018); Weber-Grellet in Schmidt, § 5 EStG Rz 270 "Pensionsgeschäfte", 37. Aufl 2018), was potenziell zu Verwerfungen in Gestalt (temporärer) bilanzieller Verdopplung (Vervielfachung) des Pensionsguts führt (entsprechend § 340b Abs 4 HGB sowohl Ausweis beim Pensionsgeber als auch parallel gem § 246 Abs 1 S 2 HGB iVm § 5 Abs 1 EStG respektive § 39 AO Ausweis bei einem Dritten, wenn der Pensionsnehmer von seinem Recht, über das Pensionsgut zu verfügen, dh es zB zu veräußern oder seinerseits in Pension zu geben, Gebrauch macht).
Die auf einen befürworteten GoB-Rang des § 340b HGB zurückgehende und damit für das Steuerrecht grds maßgebliche bilanzielle WG-Verdopplung wird handelsrechtlich zT ausdrücklich hingenommen (IDW ERS HFA 13 nF v 29.11.2006 Rz 20; Scharpf/Schaber, Handbuch Bankbilanz, 5. Aufl 2013, 3; Keller, Der Grundsatz wirtschaftlicher Vermögenszugehörigkeit im Bilanzrecht, 2014, 114), was bereits handelsrechtlich höchst bedenklich, steuerlich jedenfalls inakzeptabel ist.
Der Wortlaut des § 5 Abs 1 S 1 EStG adressiert zwar explizit (nur) den Ansatz ("ist [...] das BV anzusetzen"), der Maßgeblichke...