Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 14
Stand: EL 139 – ET: 10/2019
Verbreitet ist auch die Auffassung, dass die handelsrechtliche Rechnungslegung mit der steuerlichen deshalb nicht in Einklang zu bringen sei, weil Erstere insb auch eine Informationsfunktion habe, während die steuerliche Gewinnermittlung eine Technik zur Ermittlung einer leistungsfähigkeitsgerechten Bemessungsgrundlage darstelle, was unvereinbar sei.
Die Gewinnermittlung ist in der Praxis ganz entscheidend von Interessengegensätzen geprägt: Der Vorstand einer Publikums-AG hat nach dem Petitum des Shareholder-Value ein Interesse daran, die Leistungsfähigkeit seiner Gesellschaft (und damit seine eigene) positiv darzustellen, um Aktionäre zu befriedigen u Gläubiger zu beruhigen. Dazu wird er tendenziell einen höheren Gewinnausweis anstreben. Dies aber widerspricht dem legitimen Unternehmensziel der Steuerminimierung.
Umgekehrt wird das FA die Ausübung bestehender Ermessensspielräume in der handelsrechtlichen Rechnungslegung – soweit möglich – auch für steuerliche Zwecke in Anspruch nehmen. Das FA wird etwa niemals eine Teilwertabschreibung auf einen Vorrätebestand wegen mangelnder Gängigkeit etc für steuerliche Zwecke akzeptieren, wenn eine außerplanmäßige Abschreibung in der handelsrechtlichen Rechnungslegung nicht vorgenommen worden ist. Die Anbindung der steuerlichen Gewinnermittlung an die handelsrechtlichen GoB leistet aus fiskalischer Sicht zugleich eine wesentliche Glaubwürdigkeitskontrolle (Thiel, Bilanzrecht, 4. Aufl 1990, 90) u erzeugt damit potenziell ein Gleichgewicht zwischen umfassenden Informationsinteressen auf der einen u dem Interesse zutreffender Leistungsfähigkeitsmessung des Fiskus auf der anderen Seite.
Mit der Reformierung des HGB durch das BilMoG wurde die Informationsfunktion des handelsrechtlichen JA zu Lasten des Vorsichtsprinzips (in der Ausprägung des Realisationsprinzips) beachtlich gestärkt. Auch hier hat der Gesetzgeber steuerlich allerdings punktuell gegengesteuert, insb insofern die für nötig befundene Verwirklichung eines höheren Informationsgehalts des handelsrechtlichen JA zu einer unzutreffenden (weil zu hohen) Leistungsfähigkeitsmessung führen würde.