Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 391
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Formelle GoB umfassen Ordnungsvorschriften, die eine zuverlässige, systematische, lückenlose und im Ergebnis zuverlässige Abbildung gewährleisten sollen. Zu den Grundätzen über die Form der laufenden Buchungen und des JA sowie die Frist, innerhalb der sie zu fertigen sind, gehören Vorschriften über die Grundaufzeichnungen, die Belegsicherung, die Einrichtung von Sachkonten in Büchern, die Inventur und den JA. Sie werden durch steuerrechtliche Vorschriften der §§ 140ff AO ergänzt (insbesondere ergänzt § 145 AO die Vorgaben des § 238 Abs 1 S 2 HGB, § 146 AO die des § 239 HGB). Die Anforderungen an die Form der Buchführung sollen garantieren, dass die Darstellung nicht im Nachhinein manipuliert werden kann und einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und die Vermögenslage des Unternehmens vermittelt (§ 145 AO).
Die Buchführung ist ordnungsgemäß, wenn die für die kaufmännische Buchführung erforderlichen Bücher geführt werden, diese förmlich in Ordnung sind und der Inhalt sachlich richtig ist (BFH v 24.06.1997, VIII R 9/96, BStBl III 1998, 51; H 5.2 EStH 2021 "Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)"). Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann (§ 145 Abs 1 S 1 AO). Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen (§ 238 Abs 1 HGB, § 145 Abs 1 S 2 AO, Belegzwang). Die Buchungen und die sonstigen Aufzeichnungen müssen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet sein (§ 239 Abs 2 HGB, § 146 Abs 1 S 1 AO).
An die elektronische Buchführung (§ 257 Abs 3 HGB, § 146 Abs 5 AO) sind entsprechende Anforderungen zu stellen. Zu beachten sind die Grundsätze ordnungsgemäßer Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD, BMF v 28.11.2019, BStBl I 2019, 1269). Bei Verwendung elektronischer Aufzeichnungssysteme ist seit 2020 zudem § 146a AO zu beachten.
Rn. 392
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Verlagerung elektronischer Buchführung ins Ausland: § 146 Abs 2 S 1 AO sieht vor, dass Bücher und Aufzeichnungen grundsätzlich im Inland zu führen und aufzubewahren sind. Mit § 146 Abs 2a AO wird den Unternehmen (ohne Antragserfordernis) die Möglichkeit eingeräumt, elektronische Bücher und sonstige elektronische Aufzeichnungen in einem anderen Mitgliedstaat der EU zu führen und aufzubewahren, vorausgesetzt es ist sichergestellt, dass ein Datenzugriff der deutschen FinVerw nach § 146b Abs 2 S 2 AO, § 147 Abs 6 AO und § 27b Abs 2 S 2, 3 UStG weiterhin in vollem Umfang möglich ist. § 146 Abs 2b AO räumt darüber hinaus (mit Antragserfordernis) die Möglichkeit ein, elektronische Bücher und Aufzeichnungen unter den weiteren Voraussetzungen des § 146 Abs 2b S 2 Nr 1–4 AO (insbesondere regelkonformes Verhalten bei Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren/bei Außenprüfungen, keine Beeinträchtigung der Besteuerung) in der Vergangenheit einem Drittstaat zu führen und aufzubewahren.
In die Prüfung, ob von einer Beeinträchtigung der Besteuerung auszugehen ist, bezieht die FinVerw restriktiv die Erfüllung sämtlicher steuerlicher Pflichten ein, wie insbesondere das ordnungsgemäße Abgabeverhalten, Steuerstraf- oder -ordnungswidrigkeitenverfahren, Vollstreckungsverfahren) und behält sich darüber hinaus vor, das Fehlen eines DBA mit großer Auskunftsklausel (Art 26 OECD-MA) mit dem Ziel-Buchführungsstaat als Beeinträchtigung der Besteuerung zu werten (LfSt Bayern, Vfg v 29.01.2021, S 0316.1.1–3/7 St 43, DB 2021, 371 Tz 4; kritisch zur weiten Auslegung des Tatbestands der Beeinträchtigung Habel/Müller/Bauerfeld, IWB 2019, 84).
Liegen die Voraussetzungen für die Verlagerung der elektronischen Buchführung nicht mehr vor, hat die zuständige FinBeh die Bewilligung zu widerrufen und die unverzügliche Rückverlagerung zu verlangen (§ 146 Abs 2b S 3 AO). Ein Rückverlagerungsgrund ist insbesondere gegeben, wenn der StPfl nach Bewilligung der Verlagerung seinen Mitwirkungspflichten nicht oder nicht fristgerecht nachkommt.
Mit § 146 Abs 2c AO wurde parallel die Möglichkeit geschaffen, bei mangelndem Datenzugriffsmöglichkeiten, mangelnder Mitwirkung im Rahmen der Außenprüfung sowie ein Unterlassen der Rückverlagerung durch Verhängung eines Verzögerungsgeldes iHv 2 500 EUR bis 250 000 EUR zu sanktionieren.
Rn. 393
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Erstellungsfristen: Nach § 243 Abs 3 HGB ist der JA innerhalb der einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entsprechenden Zeit nach dem Schluss eines jeden Geschäftsjahres (Abschlussstichtag) aufzustellen. Die Frist für die Aufstellung des JA hat auch Bedeutung für die Berücksichtigung wertaufhellender Gesichtspunkte. KapGes sowie unter das PublG fallenden Unternehmen müssen den JA, der die Jahresbilanz und die GuV umfasst, in den ersten drei Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres f...