Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 260
Stand: EL 148 – ET: 12/2020
Der Gesetzgeber sieht nicht nur im Falle einer Freistellungsbetriebsstätte die Erfassung der stillen Reserven bei der Überführung aus dem ausländischen Stammhaus gefährdet, sondern steuerverschärfend (s Rn 245) auch bei Überführung eines WG aus dem Inland in eine ausländische Anrechnungsbetriebsstätte nach DBA bzw in Fällen, in denen kein DBA besteht. Die Anrechnung der für den Betriebsstättengewinn erhobenen ausländischen Steuer nach § 34c Abs 1 EStG wird als "Beschränkung des Besteuerungsrechts" eingeordnet und löst eine fiktive Entnahme des WG aus.
Die Besteuerung eines fiktiven Entnahmegewinns bei Anrechnungsverpflichtung nach DBA löst ein weiteres Problem aus (vgl wiederum Wassermeyer, DB 2006, 2420). Der (Liefer-)Gewinn aus der Überführung (Bsp s Rn 251) bleibt in dieser Konstellation dem Grunde nach der deutschen Besteuerung erhalten. Es handelt sich um ausländische Einkünfte, allerdings kann/wird der Veräußerungsgewinn in einem der Überführung erst nachgelagerten VZ entstehen, so dass anrechnungsfähige ausländische Steuer im Überführungs-VZ gar nicht anfällt. Bei einer (vom Gesetzgeberwillen wohl nicht gedeckten) rein VZ-bezogenen Interpretation der Vorschrift läge ein Anwendungsbereich des § 4 Abs 1 S 3 EStG nicht vor. Hierzu folgendes Bsp (nach Wissenschaftlicher Beirat Ernst & Young, DB 2010, 1784).
Beispiel:
Die A-GmbH mit Sitz im Inland stellt im Jahr 01 in ihrem inländischen Stammhaus das Produkt X zu HK von 50 her. Im Jahr 02 überführt sie das Produkt in ihre Betriebsstätte im Staat B, der ein Nicht-DBA-Staat ist. Zu dieser Zeit hat das Produkt einen Großhandelswert von 90. Von dort aus wird das Produkt im Jahr 03 für 110 veräußert, wobei im Jahr 03 bei der Betriebsstätte Kosten von 10 anfallen. Der Betriebsstättenstaat erhebt für das Jahr 03 nur auf den Vertriebsgewinn (20 ./. 10 = 10) eine Steuer von 30 %.
Welche steuerlichen Konsequenzen ergeben sich im Inland?
Vergleichbar dem Bsp unter s Rn 252 zählt der fiktive Produktionsgewinn nicht zu den ausländischen Einkünften iSd § 34c Abs 1 EStG iVm § 34d Nr 2 Buchst a EStG.
Ein weiteres Problem aus systematischer Sicht liegt im Einbuchungsbetrag nach ausländischem Steuerrecht. Wenn dort das überführte WG zum Verkehrswert eingebucht und sofort verkauft wird, entsteht kein stpfl Veräußerungsgewinn im Ausland und damit auch keine ausländische Steuer. Damit ist auch das deutsche Besteuerungsrecht nicht eingeschränkt (Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1484). Auch hier ist der Wille des Gesetzgebers aber offensichtlich anders ausgerichtet: Er möchte unabhängig vom Zeitpunkt der Entstehung der ausländischen Steuer die – abstrakte – Gefahr der Anrechnungsverpflichtung von Auslandssteuern für den künftigen Veräußerungsgewinn als Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts gewertet wissen (Förster, DB 2007, 73; zu Zeitinkongruenzen auch VWG BsGa BMF v 22.12.2016, BStBl I 2017, 182 Rz 22, 364, 460).
Rn. 261–262
Stand: EL 148 – ET: 12/2020
vorläufig frei