Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 1780
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können im vollen Umfang steuerlich abgesetzt werden, wenn das Zimmer gemäß § 4 Abs 5 S 1 Nr 6b S 3 Hs 2 EStG der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des StPfl ist. Es handelt sich bei dem Begriff des "Mittelpunktes der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit" um einen eigenständigen Rechtsbegriff (Bode in Kirchhof/Seer, § 4 EStG Rz 218 (22. Aufl 2023)).
Nach Auffassung der Rspr ist dabei eine Gesamtbetrachtung erforderlich. Dieser Tätigkeitsmittelpunkt bestimmt sich nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung des StPfl (BFH BStBl II 2004, 62; 2004, 771; 2006, 600; BFH/NV 2005, 174; 2005, 1271; 2004, 1387; 2007, 1133; 2010, 2053; 2010, 2253; BFH BFH/NV 2015, 177; BMF BStBl I 2004, 861; 2011, 195 Rz 9). Es kommt deshalb auf die Feststellung an, wo die Kerntätigkeit erbracht wird. Maßgeblich ist insoweit, wo die Handlungen vorgenommen werden, die für den ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind.
Die Rspr des BFH zum Mittelpunkt der Tätigkeit ist auf alle Berufsgruppen anzuwenden (BFH BFH/NV 2006, 2045; 2010, 2053; 2010, 2253). Die insoweit zur alten Rechtslage ergangene Rspr des BFH gilt auch für die neue Rechtslage ab VZ 2007 (BFH BStBl II 2012, 234; BFH BFH/NV 2015, 177).
Zu beachten ist, dass sich in der Corona-Pandemie, die Schwerpunkte so verlagert haben können, dass das Arbeitszimmer zum Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung des StPfl geworden ist. In einem BMF-Schreiben heißt es hierzu:
Zitat
"Für die Zeit der pandemiebedingten Ausübung bestimmter Tätigkeiten in der Wohnung (seit März 2020) ist davon auszugehen, dass zu Hause grundsätzlich qualitativ gleichwertige Arbeiten wie beim bisherigen Arbeitsplatz ausgeübt werden, sodass bei quantitativ überwiegender Tätigkeit der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit in der Wohnung angenommen werden kann."
(s BMF vom 09.07.2021 – IV C 6 – S 2145/19/10006 :013, BeckVerw 558 234, Nr 6; vgl auch Loschelder in Schmidt, § 4 Rz 599 (42. Aufl 2023)).
Rn. 1781
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Die zeitliche (quantitative) Nutzung des Arbeitszimmers ist dabei nur ein Indiz (BFH BFH/NV 2005, 174; 2007, 1133; 2010, 1434; BStBl II 2006, 600; Loschelder in Schmidt, § 4 EStG Rz 594 (42. Aufl 2023); Bode in Kirchhof/Seer, § 4 EStG Rz 218 (22. Aufl 2023); BMF BStBl I 2017, 1320 Rz 10). Weiterhin kann auch die Tatsache, dass der StPfl einer Vollbeschäftigung nachgegangen ist, für einen entsprechenden qualitativen Schwerpunkt als Indiz sprechen (BFH BFH/NV 2005, 174; 2005, 463). Für den Schwerpunkt einer Tätigkeit kann auch sprechen, wo der wesentliche schöpferische Teil der Arbeit erbracht wird (FG Köln EFG 2003, 1523; aA BFH BFH/NV 2005, 1271).
Wo die BE innerhalb einer Tätigkeit erzielt werden, dürfte dagegen nicht entscheidend sein (Loschelder in Schmidt, § 4 EStG Rz 594 (42. Aufl 2023)).
Rn. 1782
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Es ist Sache der Tatsacheninstanz unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles den Schwerpunkt zu ermitteln (BFH BFH/NV 2005, 174). So kann trotz zeitlichen Überwiegens der außerhäuslichen Tätigkeit der Mittelpunkt der gesamten Tätigkeit im Arbeitszimmer sein (BFH BStBl II 2004, 43; 2004, 62; 2004, 65; 2004, 771; BFH/NV 2003, 917; 2005, 174; 2005, 463; 2007, 1133; BMF BStBl I 2004, 143 Rz 8). Diese Auslegung des Begriffes "Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit" ist somit sehr rechtsstreitanfällig.
Rn. 1783
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Werden mehrere Tätigkeiten ausgeübt, für die jeweils ein häusliches Arbeitszimmer besteht, so bildet das Arbeitszimmer nach der Rspr und Verwaltung nur dann den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit, wenn für jede Tätigkeit jeweils das Arbeitszimmer den Mittelpunkt darstellt (Gesamtbetrachtung). Nur im Fall, wenn alle weiteren Tätigkeiten mit anderweitigem Mittelpunkt zusammen von ganz untergeordneter Bedeutung sind, soll dies nicht gelten (BFH BStBl II 2000, 7; BFH/NV 2005, 174).
Rn. 1784
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Nach Auffassung des BFH (BFH BStBl II 2004, 771; BFH BFH/NV 2015, 177) und des BMF BStBl I 2017, 1320 Rz 12 lassen sich grundsätzlich folgende Fallgruppen unterscheiden:
(1) |
Bilden bei allen Erwerbstätigkeiten – jeweils – die im häuslichen Arbeitszimmer verrichteten Arbeiten den qualitativen Schwerpunkt, so liegt dort auch der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit. |
(2) |
Bilden hingegen die außerhäuslichen Tätigkeiten – jeweils – den qualitativen Schwerpunkt der Einzeltätigkeiten oder lassen sich diese keinem Schwerpunkt zuordnen, so kann das häusliche Arbeitszimmer auch nicht durch die Summe der darin verrichteten Arbeiten zum Mittelpunkt der Gesamttätigkeit werden. |
(3) |
Bildet das häusliche Arbeitszimmer schließlich den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer Einzeltätigkeit, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen, ist regelmäßig (BMF) davon auszugehen, dass das Arbeitszimmer nicht d... |