Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
ca) Verbindliche Regel im Handelsrecht
caa) Fehlende Regel im Steuerrecht
Rn. 336
Stand: EL 134 – ET: 02/2019
Bei verbindlicher Regelung im Handelsrecht (Gebot/Verbot) und fehlender Regelung im Steuerrecht greift der GoB-Verweis sowohl für den Ansatz dem Grunde als auch für den Ansatz der Höhe nach. Das Maßgeblichkeitsprinzip wirkt hier in seiner Grundform (§ 5 Abs 1 S 1 Hs 1 EStG), handelsbilanzielle Ansätze/Werte werden im Ergebnis in das Steuerrecht transportiert (BMF v 12.03.2010, BStBl I 2010, 239 Rz 3, 4).
Beispiele:
- Aktivierungspflicht für materielle Vermögensgegenstände u immaterielle Vermögengegenstände des UV,
- Zugangsbewertung von Sachanlagen, Vorräten, Forderungen, Verbindlichkeiten,
- Ansatz von Verbindlichkeiten/Verbindlichkeitsrückstellungen u bestimmten Aufwandsrückstellungen,
- Realisationszeitpunkt in Veräußerungsfällen.
cab) Verbindliche Regel im Steuerrecht
Rn. 336a
Stand: EL 134 – ET: 02/2019
Korrespondierende verbindliche Regelung im Handels- u Steuerrecht
Bei übereinstimmenden verbindlichen Vorgaben im Handels- und Steuerrecht hat der Maßgeblichkeitsgrundsatz lediglich deklaratorische Wirkung (BMF v 12.03.2010, BStBl I 2010, 239 Rz 3, 4). Die Übereinstimmung von HB- und StB ist bei korrespondierenden Anordnungen ohnehin gewährleistet.
Beispiele:
- Aktivierungsverbot für selbst geschaffenen Geschäfts- oder Firmenwert (s Rn 669),
- keine außerplanmäßige Abschreibung bei voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung im AV (ohne Finanzanlagen),
- Wertaufholungsgebot für alle WG mit Ausnahme des Geschäftswerts,
- Ansatz von Pensionsrückstellungen (BMF v 12.03.2010, BStBl I 2010, 239 Tz 4),
- fehlende Passivierbarkeit von Rückstellungen für Aufwendungen, die in künftigen Wj zu AK o HK führen (s Rn 918),
- transitorische RAP (s Rn 799).
Rn. 336b
Stand: EL 134 – ET: 02/2019
Abweichende verbindliche Regelungen im Handels- u Steuerrecht
Bestehen in beiden Rechnungskreisen verbindliche Vorgaben, die sich unterscheiden, liegt der typische Fall einer Durchbrechung der Maßgeblichkeit vor, der die Verpflichtung zur Abgrenzung latenter Steuern nach sich zieht, soweit nicht lediglich Ausweisfragen angesprochen sind.
Beispiele:
- Abzinsung langfristiger Rückstellungen mit durchschnittlichem laufzeitadäquatem Marktzinssatz in der HB u pauschaliert mit 5,5 % in der StB,
- Abzinsung von Pensionsrückstellungen mit einem Durchschnittszinssatz in der HB u mit 6 % der StB,
- Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften: in HB Ansatzpflicht, in StB Ansatzverbot (s Rn 471),
- Rückstellungsbewertung in der HB zum Erfüllungsbetrag unter Berücksichtigung künftiger Preis und Kostensteigerungen (§ 253 Abs 1, S 2 HGB), in der StB zum Stichtagswert,
- langfristige Verbindlichkeiten: Abzinsung in der StB, keine Abzinsung in der HB.
cac) Wahlrecht im Steuerrecht
Rn. 336c
Stand: EL 134 – ET: 02/2019
Trifft eine verbindliche handelsrechtliche Regel auf ein steuerliches Wahlrecht, greift der steuerliche Wahlrechtsvorbehalt (§ 5 Abs 1 S 1 Hs 2 EStG; s Rn 328ff). Das steuerliche Wahlrecht kann unabhängig von der Handhabung in der HB ausgeübt werden. Liegt der HB-Ansatz innerhalb der Bandbreite des steuerlichen Wahlrechts, kann der HB-Ansatz in der StB nachvollzogen werden, muss dies wegen des dortigen eigenständigen Wahlrechts gleichwohl nicht. Die von handelsrechtlichen Vorgaben abweichende Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wirkt maßgeblichkeitsbrechend.
Beispiele:
- Dauernde Wertminderung im AV u UV führt handelsrechtlich verpflichtend zur außerplanmäßigen Abschreibung, steuerlich besteht ein Wahlrecht zur Abschreibung auf den gesunkenen Teilwert (s Rn 330);
- dauernde Werterhöhung von (Fremdwährungs-)Verbindlichkeiten führt handelsrechtlich verpflichtend zur Wertaufstockung, steuerlich besteht ein Aufstockungswahlrecht.
cb) Wahlrecht im Handelsrecht
cba) Fehlende Regel im Steuerrecht
Rn. 336d
Stand: EL 134 – ET: 02/2019
Wahlrechte im Handelsrecht, denen im Steuerrecht keine Regelung gegenüber steht, bleiben nach der Rspr des GrS steuerlich nicht erhalten (BFH v 03.02.1969, GrS 2/68, BStBl II 1969, 291 sowie zB BFH v 20.03.1980, IV R 89/79, BStBl II 1980, 297; BFH v 12.12.1991, IV R 28/91, BStBl II 1992, 602; BFH v 31.01.2013, GrS 1/10, BStBl II 2013, 317). Mit dem Ziel der steuerlichen Erfassung des "vollen Gewinns" (iS des jeweils höchstmöglichen Gewinns) führen handelsrechtliche Aktivierungswahlrechte steuerlich zu Aktivierungsgeboten, handelsrechtliche Passivierungswahlrechte zu steuerlichen Passivierungsverboten. Nach BilMoG ist hierfür aktuell kein Anwendungsfall verblieben (im Einzelnen s Rn 334).
Nach den Rspr-Grundsätzen folgt für die Bewertungsebene, dass handelsrechtliche Bewertungswahlrechte auf der Aktivseite steuerlich zum höchstmöglichen Ansatz, handelsrechtliche Bewertungswahlrechte auf der Passivseite zum niedrigstmöglichen steuerlichen Ansatz führen, wenn eine steuerliche Reglung nicht vorhanden ist (BFH v 21.10.1993, IV R 87/92, BStBl II 1994, 178).
Die FinVerw verlangt abweichend hiervon die Übernahme des handelsrechtlichen Werts in die StB (BMF v 12.03.2010, BStBl I 2010, 239 Rz 5, 7: Übernahme der Wertansätze der HB im Fall der Festbewertung (§ 240 Abs 3 HGB) u Gruppenbewertung (§ 240 Abs 4 HGB) in die StB).
cbb) Verbindliche Regel im Steuerrecht
Rn. 336e
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