Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
1. Allgemeines
Rn. 1506
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Nach § 4 Abs 3 S 1 EStG ist als Gewinn der Überschuss der BE über die BA anzusetzen. Im Fall des Verlustes ist der Überschuss der BA über die BE zu berücksichtigen. Der Zweck dieser Gewinnermittlungsmethode ist zunächst eine Vereinfachung gegenüber dem Bestandsvergleich (zB BFH BStBl II 2006, 509; 2009, 659; BFH/NV 2021, 1191). Die Gewinnermittlungsmethode nach § 4 Abs 3 EStG ist einfacher, weil sie buchtechnisch einfacher ist. Es sind keine Kassenführung (BFH BStBl II 2015, 519), keine Bestandskonten, keine RAP (BFH BStBl II 2007, 930) und keine Inventur erforderlich. Die Überschussrechnung ist grundsätzlich eine Ist-Rechnung, dh, die BE werden erst im Zeitpunkt ihrer Vereinnahmung (§ 11 Abs 1 EStG) und die BA erst im Zeitpunkt der Verausgabung (§ 11 Abs 2 EStG) erfasst.
a) Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit
Rn. 1507
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Zwar unterscheidet sich die Gewinnermittlungsmethode nach § 4 Abs 3 EStG in vielerlei Hinsicht gegenüber dem Bestandsvergleich nach § 4 Abs 1 EStG; doch soll der Zweck der Überschussrechnung nur eine Vereinfachung der Gewinnermittlung sein. Damit verlangt die Rspr und auch die Literatur, dass der Gewinn bei der Überschussrechnung über die Gesamtheit aller Jahre hinweg zu demselben Gesamtgewinn ("Totalgewinn") führt, wie die Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG (st Rspr BFH BStBl III 1962, 199; BStBl II 1972, 334; 1984, 516; 2000, 120; 2004, 985; 2006, 712; 2010, 1035; 2013, 820; 2022, 829; vgl auch zB Groh, FR 1986, 393, 396 f; Reddig in H/H/R, § 4 EStG Rz 506 aE (Oktober 2022); zur Entwicklung und Bedeutung dieses Grundsatzes für die Einnahme-Überschussrechnung vgl Kanzler, FR 1998, 233, 242f). Die unterschiedliche Gewinnermittlungstechnik bewirkt daher nur eine zeitliche Verschiebung des Gewinns in frühere oder spätere Wj.
Da der Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sichert, ist er auch verfassungsrechtlich geboten (BFH BStBl II 2004, 985; ebenso Reddig in H/H/R, § 4 EStG Rz 506 aE (Oktober 2022)).
b) Betriebsvermögen
Rn. 1508
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Auch bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs 3 EStG gibt es BV. Zwar wird im Unterschied zu § 4 Abs 3 EStG beim Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs 1 EStG das BV zu Beginn des Wj mit dem BV zum Ende des Wj verglichen; aber auch bei der Überschussrechnung werden Wertänderungen des BV erfasst. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass die Wertänderungen bei der Überschussrechnung nicht zeitgleich bei der Ermittlung des Gewinns berücksichtigt werden. Nach dem Vereinfachungsmodell des § 4 Abs 3 EStG sind Wertänderungen erst zu erfassen, wenn sie sich kassenmäßig in Form von BE im Zeitpunkt des Zuflusses oder als BA im Abflusszeitpunkt niederschlagen. Dies führt hinsichtlich der einzelnen Wj zu unterschiedlichen Gewinnbeträgen.
Rn. 1509
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Das BV ist aber auch bei der Überschussrechnung stets steuerverstrickt. Selbst wenn es den Gewinn wegen fehlenden Zuflusses oder Abflusses zunächst nicht berührt, werden realisierte Wertsteigerungen des BV besteuert. Auch Schulden und Forderungen entstehen als BV, sie haben zunächst nur keinen Einfluss auf den Gewinn.
Beim notwendigen BV handelt es sich um WG, die dem Betrieb in dem Sinne unmittelbar dienen, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb des StPfl selbst bestimmt sind (BFH BStBl II 1997, 399). Es bedarf bei WG des notwendigen BV nicht einer Einlagehandlung, so dass die Zugehörigkeit zum notwendigen BV bei der Einnahme-Überschussrechnung dementsprechend nicht davon abhängig ist, ob sie in ein Anlagenverzeichnis (§ 4 Abs 3 S 5 EStG) aufgenommen wurden (BFH BFH/NV 2014, 1364).
Rn. 1510
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Wurde früher das gewillkürte BV beim Bestandsvergleich und bei der Einnahme-Überschussrechnung unterschiedlich behandelt, so ist seit der Entscheidung des BFH vom 02.10.2003, BStBl II 2004, 985 eine einheitliche Behandlung bei beiden Gewinnermittlungsarten gewährleistet. Hatte früher der BFH die Ansicht vertreten, nur notwendiges BV könne bei der Gewinnermittlungsart gemäß § 4 Abs 3 EStG anerkannt werden (BFH BStBl III 1964, 455; BStBl II 1976, 663; 1990, 17; offen gelassen BFH BStBl II 1994, 172; 2000, 297; 2001, 828), ist der BFH und das BMF nunmehr seit zwei Jahrzehnten allgemein der Ansicht, dass auch gewillkürtes BV bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 EStG gebildet werden kann (BFH BStBl II 2004, 985; 2005, 334; BFH/NV 2005, 173; 2008, 42; 2011, 1311; BMF BStBl I 2004, 1064).
Auch im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs 3 EStG kann gewillkürtes BV gebildet werden, wenn das WG zu mindestens 10 % betrieblich genutzt wird und dessen Zuordnung unmissverständlich, zeitnah und unumkehrbar dokumentiert wird (insbesondere durch Aufnahme in ein Anlageverzeichnis, s BFH BStBl II 2004, 985; 2013, 117; 2019, 203; 2020, 845; BFH/NV 2005, 173; 2008, 1662; 2011, 1311).
Vermindert sich der Umfang der betrieblichen Nutzung des WG, das dem gewillkürten BV eines Unternehmens in einem früheren VZ wegen einer mehr als 10 %igen bet...