Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 640
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Aktive RAP (§ 250 Abs 1 HGB, § 5 Abs 5 S 1 Nr 1 EStG) dienen als reine Verrechnungsposten der periodengerechten Verteilung von Aufwand, indem Ausgaben, vor dem Abschlussstichtag, die Aufwand für eine bestimmte Zeit danach darstellen, durch Aktivierung neutralisiert werden (s Rn 799ff). Aktive RAP verkörpern weder Sachen, Rechte oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder einen sonstigen Vorteil für den Betrieb. Eine Aktivierung als WG scheidet damit aus (s Rn 801; vgl Kanzler in Prinz/Kanzler, Handbuch Bilanzsteuerrecht, Rz 548 (4. Aufl 2021); Tiedchen in HdJ, II/1 Rz 35 (12/2021); aA Babel in FS Mellwig, 23 (2007): zweifelsfrei WG-Charakter). Umgekehrt können Ausgaben, die AK/HK für ein WG sind, nicht gleichzeitig den Gegenstand einer Rechnungsabgrenzung sein (BFH v 23.04.1975, I R 236/72, BStBl II 1975, 875).
Bilanzierungshilfen: Von den VG/WG sind sog Bilanzierungshilfen zu unterscheiden. Der Begriff Bilanzierungshilfe wurde vom Gesetzgeber für Bilanzposten in der Handelsbilanz verwendet, die mangels VG-Eigenschaft nicht bilanzierungsfähig sind, durch die (der Sache nach sofort abzugsfähige) Aufwendungen der Periode aber dennoch durch Aktivierung neutralisiert werden konnten, um insb eine drohende bilanzielle Überschuldung zu vermeiden. Durch das BilMoG wurden Bilanzierungshilfen für nach dem 31.12.2009 beginnende Geschäftsjahre abgeschafft (Bilanzierungswahlrecht für Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebes, § 269 HGB aF) bzw nicht mehr als solche bezeichnet (Bilanzierungswahlrecht für aktive latente Steuern, § 274 Abs 2 S 1 HGB aF). Der Begriff "Bilanzierungshilfe" ist mit Aufhebung des § 269 HGB aF und Neufassung des § 274 HGB aus dem HGB eliminiert. Handelsrechtliche Bilanzierungshilfen waren/sind ebenso wie deren Substitute steuerlich nicht aktivierbar (Ausnahme: explizite Übernahmeverpflichtung in die steuerliche DM-Eröffnungsbilanz 01.07.1990: Sonderverlustkonto aus Rückstellungsbildung gem § 17 Abs 4 iVm § 50 DM-BilG sowie das Beteiligungsentwertungskonto gem § 24 Abs 1, 5 iVm § 50 DM-BilG; hierzu BMF v 21.06.1991, BStBl I 1991, 559 Nr 2c).
Handelsbilanzielle Sonderposten ohne (originäre) VG-Eigenschaft sind darüber hinaus
- aktive latente Steuern (§ 274 Abs 1 S 2 HGB iVm § 266 Abs 2 D HGB) als "Posten eigener Art",
- aktiver Unterschiedsbetrag aus der Verrechnung von Vermögen zur Erfüllung von Schulden aus Altersversorgungsverpflichtungen und diesen Schulden (§ 246 Abs 2 S 3 HGB iVm § 266 Abs 2 E HGB),
- entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert (§ 246 Abs 1 S 4 HGB iVm § 266 Abs 2 A I 3 HGB), der durch die Fiktion des § 246 Abs 1 S 4 HGB allerdings in den Rang eines – fiktiven – VG gehoben wird, was entsprechend des Vollständigkeitsgrundsatzes Aktivierungspflicht nach sich zieht und damit eine Sonderstellung einnimmt.
Steuerbilanzielle Ausgleichsposten haben ebenfalls keine WG-Qualität, zB
Steuerliche Aufwandsverteilungsposten zur Verteilung von Aufwand auf ein fremdes WG bei Errichtung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden sind nach BFH-Rspr zur Umsetzung des objektiven Nettoprinzips zu bilden. Adressiert sind HK, die von einem StPfl für die Gebäudeherstellung getragen werden, ohne dass dieses in das Eigentum des Erbauers übergeht oder ihm zumindest wirtschaftlich zuzurechnen ist. Dies ist typisch bei Baumaßnahmen eines Ehegatten auf dem Grundstück des anderen, bei dem es sich regelmäßig um PV handelt (zu den Zurechnungskonstellationen im Einzelnen s Rn 182cff).
Das für den Fall der Gebäudezurechnung zum Grundstückseigentümer vom BGH vertretene Ergebnis sofortiger Aufwandswirksamkeit der Bauaufwendungen beim Erbauer (BGH v 06.11.1995, II ZR 164/94, BB 1996, 155, s Rn 182p) vermeidet der BFH durch Aktivierung eines Aufwandsverteilungspostens als "Bilanzposten eigener Art" (s Rn 182q), der nach Gebäude-AfA-Regeln abgeschrieben werden soll (s Rn 182v); zu den Rechtsfolgen (insb keine Teilwertabschreibung, Sonderabschreibungen, keine erhöhte Absetzungen, keine Ansammlung und Realisierbarkeit stiller Reserven, keine § 6b EStG-Fähigkeit, s Rn 182q, 182wf). Richtigerweise wären die Bauaufwendungen anteilig aktiv abzugrenzen (im Verhältnis der vereinbarten Nutzungsdauer zur Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes, s Rn 182u).
Rn. 641
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
vorläufig frei