Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
da) Grundsatz: Wirtschaftliches Eigentum des Grundstückseigentümers
Rn. 182d
Stand: EL 163 – ET: 02/2023
Erwirbt der Grundstückseigentümer zivilrechtliches Eigentum an einem Gebäude, das ein anderer auf seinem Grundstück errichtet hat (Regelfall, s Rn 182a), ist ihm das Gebäude nach allgemeinen Zurechnungsgrundsätzen zuzurechnen (§ 246 Abs 1 HGB, § 39 Abs 1 AO). Nach der gesetzlichen Grundwertung erwirbt der zivilrechtliche Eigentümer zugleich wirtschaftliches Eigentum (BFH v 27.11.1996, X R 92/92, BStBl II 1998, 97 unter II.3.C.), der Erbauer ist grundsätzlich kein Zurechnungssubjekt.
db) Ausnahme: Wirtschaftliches Eigentum des Erbauers
Rn. 182e
Stand: EL 163 – ET: 02/2023
Abweichend von der zivilrechtlichen Eigentumslage kann der Bauherr wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes sein, wenn er in der Lage ist, den Grundstückseigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Gebäude auszuschließen (§ 39 Abs 2 Nr 1 AO), wovon auszugehen ist, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse seitens des zivilrechtlichen Eigentümers kein Herausgabeanspruch besteht oder dieser keine wirtschaftliche Bedeutung hat. Dies ist insbesondere in den unter s Rn 182f ff dargelegten Konstellationen der Fall.
Nicht ausreichend für die Begründung vom zivilrechtlichen abweichenden wirtschaftlichen Eigentums des Erbauers am Gebäude sind
- das bloße Einverständnis des Grundstückseigentümers mit der Errichtung des Bauwerks, da sich hieraus nicht bereits eine Ausschlussbefugnis des Bauenden ableiten lässt (BFH v 11.12.1987, III R 188/81, BStBl II 1988, 493; BFH v 20.05.1988, III R 151/86, BStBl II 1989, 269; BFH v 27.11.1996, X R 92/92, BStBl II 1998, 97),
- dass der Nutzende die HK getragen hat (zB BFH v 21.05.1992, X R 61/91, BStBl II 1992, 944), dies schließt den Fall der vollständigen Finanzierung der im eigenen Namen durchgeführten Baumaßnahme ein (BFH v 27.11.1996, X R 92/92, BStBl II 1998, 97).
dc) Typische Fallkonstellationen abweichenden zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums am Gebäude
Vom zivilrechtlichen Eigentum abweichendes wirtschaftliches Eigentum des Erbauers liegt ausnahmsweise in folgenden Konstellationen vor:
dca) Nutzungsrecht über die gesamte Nutzungsdauer des Gebäudes
Rn. 182f
Stand: EL 163 – ET: 02/2023
Der Bauende wird wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er aufgrund eindeutiger im Voraus getroffener und tatsächlich durchgeführter Vereinbarungen – unter dauerndem Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers – die wirtschaftliche Sachherrschaft am Gebäude innehat, weil ihm allein Substanz und Ertrag des Gebäudes für dessen gewöhnliche Nutzungsdauer zustehen. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn dem Hersteller ein rechtsverbindliches Nutzungsrecht für einen Zeitraum eingeräumt wird, nach dessen Ablauf das Gebäude bei normalem, der gewählten Gestaltung entsprechenden Verlauf wirtschaftlich (nahezu) verbraucht ist, ein Herausgabeanspruch des Grundstückseigentümers folglich (nahezu) wertlos ist. Dies ist der Fall, wenn die Dauer der rechtsverbindlichen Nutzungsbefugnis des Herstellers und die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Gebäudes annähernd deckungsgleich sind, konkret das Nutzungsrecht mindestens 90 % der gesamten Nutzungsdauer umfasst (BFH v 30.05.1984, I R 146/81, BStBl II 1984, 825; BFH v 27.11.1996, X R 92/92, BStBl II 1998, 97 jeweils zum Immobilienleasing; BFH v 07.10.1997, VIII R 63/95, BFH/NV 1998, 1202; BFH v 27.06.2006, IX R 63/04, BFH/NV 2006, 2225; Neufang/Körner, BB 2010, 1504; Fischer in HHSp, § 39 AO Rz 148, 158 (Februar 2018); Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz 9.150 (24. Aufl 2021)). Das Nutzungsverhältnis darf durch den Grundstückseigentümer weder vorzeitig kündbar sein noch dürfen andere faktische Einflussnahmemöglichkeiten das langfristige Nutzungsrecht erschweren (ADS, § 246 HGB Rz 410 (6. Aufl. 1998)).
Maßgebende "Nutzungsdauer": In Anlehnung an den Leasing-Erlass zu unbeweglichen WG (BMF v 23.12.1992, BStBl I 1992, 13 Tz 9) ist die der Zurechnungsentscheidung zugrunde zu legende Nutzungsdauer die Zeitspanne, für die AfA nach § 7 Abs 4 EStG vorzunehmen wäre (vgl BFH v 26.11.1973, GrS 5/71, BStBl II 1974, 132; Schnitter, in Frotscher/Geurts, § 7 EStG Rz 154 (Januar 2021); aA Fischer, DStR 2001, 2015: tatsächliche Gebäude-Nutzungsdauer von idR 100 Jahren). Demgemäß verortete der BFH das wirtschaftliche Eigentum zutreffend bei einem Nutzungsberechtigten, dem vom Grundstückseigentümer das vererbliche Recht eingeräumt wurde, das Gebäude für die Lebensdauer des Berechtigten, mindestens aber für 50 Jahre zu nutzen (BFH v 27.11.1996, X R 92/92, BStBl II 1998, 97). Ebenso zutreffend lehnte der BGH die Zurechnung zu einem Nutzungsberechtigten bei einer (nicht gesicherten) Nutzungsbefugnis von lediglich 10 Jahren ab (BGH v 06.11.1995, II ZR 164/94, NJW 1996, 458).
Mit dem JStG 2022 wird die lineare AfA auf nach dem 31.12.2022 fertiggestellte Wohngebäude von 2 % auf 3 % erhöht, die Abschreibungsdauer entsprechend von 50 auf 33 Jahre verkürzt (§ 7 Abs 4 S 1 Nr 2a EStG). Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 10.10.2022 zum JStG 2022 ist aus dieser politisch motivierten Förderung zur Unterstützung einer klimagerechten Neubauoffensive keine Neubeurteilung der tatsächlichen Nutzungsdauer von Wohngebäuden abzuleiten, diese werde "reg...