Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
da) Abgrenzungsrelevanz
Rn. 661
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Ansatzrelevanz: Die Abgrenzung zwischen AV und UV hat Relevanz für die Frage des Eingreifens des Aktivierungsverbots nach § 5 Abs 2 EStG, das auf WG des AV beschränkt ist, UV dagegen nicht erfasst.
Bewertungsrelevanz: Auf Bewertungsebene ist die Abgrenzung relevant für die Folgebewertung: Planmäßige AfA nach § 7 EStG sowie Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen kommen nur für WG des AV in Betracht. Weiterhin ist der Anwendungsbereich der Bewertungsvereinfachung für GWG nach § 6 Abs 2, 2a EStG auf WG des AV beschränkt. Für die außerplanmäßige Abschreibung gilt für das UV das strenge (handelsrechtliche) Niederstwertprinzip (§ 253 Abs 4 HGB), für das AV das gemilderte (§ 253 Abs 3 HGB); wegen der besonderen Regelungen für die Teilwertabschreibung in der StB (s § 6 Rn 475ff (Dräger/Dorn)) und dem insoweit bestehenden Teilwertabschreibungswahlrecht (s Rn 330, 332) ist den handelsrechtlichen Bewertungsvorgaben steuerlich nur bedingt zu folgen.
Sonstige Relevanz: IAB nach § 7g EStG sind nur für WG des AV möglich; § 6b EStG sieht ausschließlich WG des AV als qualifizierte Reinvestitionsobjekte an.
db) Abgrenzungskriterien
dba) Begriff Anlagevermögen/Umlaufvermögen
Rn. 662
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Definition: Die Abgrenzung zwischen AV und UV erfolgt auf der Grundlage der ausschließlich im Handelsrecht erfolgenden Definition des AV (§ 247 Abs 2 HGB) mit uneingeschränkter Wirkung auch für das Steuerrecht (BFH v 26.11.1974, VIII R 61–62/73, VIII R 61/73, VIII R 62/73, BStBl II 1975, 352 mwN; BFH v 31.03.1977, V R 44/73, BStBl II 1977, 684 mwN; BFH v 02.02.1990, III R 165/85, BStBl II 1990, 706; BFH v 30.04.1998, III R 29/93, BFH/NV 1998, 1372; BFH v 25.10.2016, I R 57/15, BFH/NV 2017, 388; BFH v 19.01.2017, IV R 10/14, BStBl II 2017, 466; FG Düsseldorf v 04.06.2019, 10 K 34/15, EFG 2019, 1274, rkr). Die BFH-Rspr (vgl ABC unter s Rn 678) legt also immer auch Handelsrecht aus.
Zum AV gehören nach § 247 Abs 2 HGB „nur die Gegenstände […],
- die bestimmt sind,
- dauernd
- dem Geschäftsbetrieb zu dienen.”
Das UV kann als Komplementärbegriff zum AV vollständig durch Negativabgrenzung des AV definiert werden, da steuerlich eine dritte Vermögensart nicht existiert (BFH v 13.01.1972, V R 47/71, BStBl II 1972, 744). Zum UV gehören demnach alle Gegenstände, die nicht bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen, die mithin nicht im AV auszuweisen sind. Neben dieser vom Handelsrecht vorgegebenen Negativabgrenzung ist der ständigen BFH-Rspr auch eine positive Umschreibung des UV zu entnehmen: Zum UV gehören demnach alle WG,
Zitat
"deren Zweck im Verbrauch oder in der Weiterveräußerung liegt"
(BFH v 31.03.1977, V R 44/73, BStBl II 1977, 685 mwN; ähnlich BFH v 05.02.1987, IV R 105/84, BStBl II 1987, 448; BFH v 30.04.1998, III R 29/93, BFH/NV 1998, 1372; BFH v 09.02.2006, IV R 15/04, BFH/NV 2006, 1267; BFH v 16.12.2009, IV R 49/07, BFH/NV 2010, 945; BFH v 16.12.2009, IV R 48/07, BFH/NV 2010, 518; BFH v 19.01.2017, IV R 10/14, BStBl II 2017, 466; FG Düsseldorf v 04.06.2019, 10 K 34/15, EFG 2019, rkr; vgl auch R 6.2 Abs 1 EStR 2012).
Wenngleich mit dieser Positivumschreibung wesentliche Eckdaten des UV angesprochen werden, vermag sie lediglich einen (wenngleich wesentlichen) Ausschnitt des UV zu erfassen, da sie auf den Bereich der Vorräte ausgerichtet ist, letztlich muss im Zweifel auf die handelsrechtlich vorgegebene Negativabgrenzung zurückgegriffen werden (ADS, § 247 HGB Rz 124 (6. Aufl 1998)). Unter "Gegenstände" sind VG bzw WG zu verstehen (s Rn 594ff). Das Kriterium des "Dienens dem Geschäftsbetrieb" ist eher unproblematisch. Auslegungsbedürftig sind die Kriterien "bestimmt sind" (dh die Zweckbestimmung, s Rn 663ff) und "dauernd" (dh die Zeitkomponente, s Rn 666).
dbb) Zweckbestimmung
Rn. 663
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Objektive Zweckbestimmung:
Die maßgebende objektive Zweckbestimmung eines WG ist anhand objektiver, von außen nachvollziehbarer Merkmale zu ermitteln. Zur Beurteilung der Zweckbestimmung eines WG werden die jeweils konkreten Ausprägungen der folgenden – objektiven – Kriterien herangezogen (BFH v 30.04.1998, III R 29/93, BFH/NV 1998, 1372; BFH v 02.02.1990, III R 165/85, BStBl II 1990, 706; BFH v 05.02.1987, IV R 105/84, BStBl II 1987, 448; BFH v 13.01.1972, V R 47/71, BStBl II 1972, 744; BFH v 25.10.2001, IV R 47, 48/00, BStBl II 2002, 289; BFH v 16.12.2009, IV R 49/07, BFH/NV 2010, 945; BFH v 16.12.2009, IV R 48/07, BFH/NV 2010, 518; BFH v 19.01.2017, IV R 10/14, BStBl II 2017, 466):
- Art oder Natur des WG,
- Art/Geschäftszweig des Unternehmens,
- Art der Verwendung des WG/Funktion im Geschäftsbetrieb,
- uU Dauer der Verwendung/des Verbleibs des WG im Geschäftsbetrieb.
Rn. 664
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Subjektive Zweckbestimmung:
Um die Zweckbestimmung eines WG zutreffend bestimmen zu können, sind neben objektiven sekundär auch subjektive Kriterien heranzuziehen, insb der Wille des Kaufmanns. Die subjektive Absicht einer bestimmten Verwendung bedarf gleichwohl ebenfalls einer von außen nachvollziehbaren Fundierung. Insoweit haben
- die Art der Bilanzierung des WG sowie
- dessen ...