Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 182f
Stand: EL 163 – ET: 02/2023
Der Bauende wird wirtschaftlicher Eigentümer, wenn er aufgrund eindeutiger im Voraus getroffener und tatsächlich durchgeführter Vereinbarungen – unter dauerndem Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers – die wirtschaftliche Sachherrschaft am Gebäude innehat, weil ihm allein Substanz und Ertrag des Gebäudes für dessen gewöhnliche Nutzungsdauer zustehen. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn dem Hersteller ein rechtsverbindliches Nutzungsrecht für einen Zeitraum eingeräumt wird, nach dessen Ablauf das Gebäude bei normalem, der gewählten Gestaltung entsprechenden Verlauf wirtschaftlich (nahezu) verbraucht ist, ein Herausgabeanspruch des Grundstückseigentümers folglich (nahezu) wertlos ist. Dies ist der Fall, wenn die Dauer der rechtsverbindlichen Nutzungsbefugnis des Herstellers und die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Gebäudes annähernd deckungsgleich sind, konkret das Nutzungsrecht mindestens 90 % der gesamten Nutzungsdauer umfasst (BFH v 30.05.1984, I R 146/81, BStBl II 1984, 825; BFH v 27.11.1996, X R 92/92, BStBl II 1998, 97 jeweils zum Immobilienleasing; BFH v 07.10.1997, VIII R 63/95, BFH/NV 1998, 1202; BFH v 27.06.2006, IX R 63/04, BFH/NV 2006, 2225; Neufang/Körner, BB 2010, 1504; Fischer in HHSp, § 39 AO Rz 148, 158 (Februar 2018); Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, Rz 9.150 (24. Aufl 2021)). Das Nutzungsverhältnis darf durch den Grundstückseigentümer weder vorzeitig kündbar sein noch dürfen andere faktische Einflussnahmemöglichkeiten das langfristige Nutzungsrecht erschweren (ADS, § 246 HGB Rz 410 (6. Aufl. 1998)).
Maßgebende "Nutzungsdauer": In Anlehnung an den Leasing-Erlass zu unbeweglichen WG (BMF v 23.12.1992, BStBl I 1992, 13 Tz 9) ist die der Zurechnungsentscheidung zugrunde zu legende Nutzungsdauer die Zeitspanne, für die AfA nach § 7 Abs 4 EStG vorzunehmen wäre (vgl BFH v 26.11.1973, GrS 5/71, BStBl II 1974, 132; Schnitter, in Frotscher/Geurts, § 7 EStG Rz 154 (Januar 2021); aA Fischer, DStR 2001, 2015: tatsächliche Gebäude-Nutzungsdauer von idR 100 Jahren). Demgemäß verortete der BFH das wirtschaftliche Eigentum zutreffend bei einem Nutzungsberechtigten, dem vom Grundstückseigentümer das vererbliche Recht eingeräumt wurde, das Gebäude für die Lebensdauer des Berechtigten, mindestens aber für 50 Jahre zu nutzen (BFH v 27.11.1996, X R 92/92, BStBl II 1998, 97). Ebenso zutreffend lehnte der BGH die Zurechnung zu einem Nutzungsberechtigten bei einer (nicht gesicherten) Nutzungsbefugnis von lediglich 10 Jahren ab (BGH v 06.11.1995, II ZR 164/94, NJW 1996, 458).
Mit dem JStG 2022 wird die lineare AfA auf nach dem 31.12.2022 fertiggestellte Wohngebäude von 2 % auf 3 % erhöht, die Abschreibungsdauer entsprechend von 50 auf 33 Jahre verkürzt (§ 7 Abs 4 S 1 Nr 2a EStG). Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 10.10.2022 zum JStG 2022 ist aus dieser politisch motivierten Förderung zur Unterstützung einer klimagerechten Neubauoffensive keine Neubeurteilung der tatsächlichen Nutzungsdauer von Wohngebäuden abzuleiten, diese werde "regelmäßig auch mehr als 50 Jahre" betragen (BT-Drucks 20/3879 v 10.10.2022, 88).