Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
ea) Finanzierung von AV
Rn. 1658d
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Da betriebliche Schuldzinsen aus AK oder HK von AV keiner Abzugsbeschränkung unterliegen, ist es grds zu empfehlen, eher Investitionen im AV als UV oder laufende Betriebskosten fremdzufinanzieren. Zu beachten ist dabei jedoch der evtl GewSt-Nachteil aus sich ergebenden zusätzlichen Dauerschulden. Bedeutung gewinnt aber auch die Abgrenzung zwischen AV und UV insbesondere im Bereich der Finanzanlagen, zB bei der Zuordnung von fremdfinanzierten Krediten an Tochtergesellschaften.
eb) Zeitpunkt von Entnahmen, Einlagen und außerordentlichen Gewinnen
Rn. 1658e
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Da die Zinszahlenstaffelmethode nicht mehr anzuwenden ist, sondern eine stichtagsbezogene Berechnung mit einem festen Zinssatz erfolgt, ohne dass dabei der Zeitpunkt von Entnahmen und Einlagen bzw die tatsächliche Entstehung der Überentnahme berücksichtigt wird, ergeben sich Risiken und Gestaltungsmöglichkeiten.
Nachteilig sind Entnahmen, die zu Überentnahmen führen, wenn sie kurz vor Ende des Wj erfolgen, da die nicht abzugsfähigen Schuldzinsen auf der Basis des gesamten Wj ermittelt werden. Es ist daher zu empfehlen, Entnahmen, die zu Überentnahmen führen, erst nach dem Jahresabschlussstichtag bzw zu Beginn eines Wj vorzunehmen, da sie dann nur das neue Wj belasten.
Entsprechend den Gestaltungsmöglichkeiten bei den Entnahmen bestehen solche auch bei den Einlagen. Durch Einlagen am Ende des Wj kann das Entnahmepotenzial erhöht werden. Jedoch ist zu beachten, dass eine allein zum Zwecke der Vermeidung der Begrenzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs 4a EStG vorgenommene Einlage zum Ende des Wj, um nur wenige Tage später im folgenden Wj diese wieder rückgängig zu machen, gegen § 42 AO verstoßen kann (so BFH BStBl II 2013, 16; FG BdW EFG 2009, 1354).
Auch durch den Ansatz eines außerordentlichen Gewinns am Ende des Wj kann ebenfalls das Entnahmepotenzial erweitert werden.
Da nach dem Gesetz typisierend die Überentnahmen mit 6 % und damit insbesondere Entnahmevorgänge zum Ende des Wj übermäßig verzinst werden (s Bsp bei Schneider/Petrak, WPg 2006, 1109 und Schallmoser, FR 2001, 514), werden im Schrifttum verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG geäußert (Schallmoser, FR 2001, 514; Schneider/Petrak, WPg 2006, 1109). Insbesondere wird dem Gesetzgeber vorgeworfen, er habe dem StPfl keine Möglichkeit einräumt, der typisierenden Regelung aus dem Weg gehen zu können (zB durch die Anwendung der Zinszahlenstaffelmethode).
Der Kritik ist uE nicht zu folgen. Dadurch dass der Gesetzgeber bei der Verzinsung die Entnahmen genauso behandelt wie die Einlagen oder (außerordentliche) Gewinne, dürfte der Nachteil durch einen entsprechenden Vorteil bei einer pauschalierenden Betrachtung aufgehoben sein (ebenso Wendt, FR 2000, 427). Im Übrigen hat der StPfl die Möglichkeit der oben genannten Gestaltung, so dass eine Verfassungswidrigkeit der Norm nicht angenommen werden kann (für Verfassungsmäßigkeit auch BFH BStBl II 2010, 1041; 2022, 662; Seiler in K/S/M, § 4 EStG Rz Ea 203; FG D'dorf EFG 2007, 572 mit Anm Valentin; Bode in Kirchhof/Seer, § 4 EStG Rz 192 (22. Aufl 2023); Loschelder in Schmidt, § 4 Rz 528 (42. Aufl 2023)). Das BVerfG vom 08.07.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, BGBl 2021, 4303 hat mit Beschluss über Verfassungsbeschwerden betreffend die Vollverzinsung nach den §§ 233a, 238 Abs 1 AO entschieden, dass ab 01.01.2019 von einer Verfassungswidrigkeit dieser Verzinsung im Hinblick auf ihre Höhe auszugehen sei. Er hat aber ausdrücklich offengelassen, wie zu anderen gesetzlichen Zinstatbeständen zu entscheiden ist. ME kommt auch im Hinblick auf diese Entscheidung des BVerfG unter Berücksichtigung der oben genannten Argumente keine andere Bewertung in Betracht (ebenso FG D'dorf vom 01.12.2022, 15 K 1131/19 G,F, Rev eingelegt Az BFH IV R 2/23).
ec) Problem des Buchwertansatzes und Rückwirkung
Rn. 1658f
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Gegenüber den KapGes ergibt sich für die betroffenen StPfl ein Nachteil und damit eine Ungleichbehandlung dadurch, dass Verlustfinanzierungen unter Umständen (zumindest in Höhe der Entnahmen für den persönlichen Bedarf/Unternehmerlohn) zu einer Einschränkung des betrieblichen Schuldzinsenabzugs führen. Dies gilt insbesondere für Verluste aus Sonderabschreibungen oder sonstigen Maßnahmen zur Bildung stiller Reserven. Verlustfinanzierungen bei KapGes, abgesichert durch stille Reserven oder externe Sicherheiten, beeinträchtigen den betrieblichen Schuldzinsenabzug nicht. Die unter die Regelungen des § 4 Abs 4a EStG fallenden StPfl können evtl Einschränkungen der Abzugsfähigkeit betrieblicher Schuldzinsen aber nur durch tatsächliche Einlagen abwenden.
Zu prüfen ist auch, ob die Berücksichtigung von Überentnahmen am Anfang des ersten in 1999 endenden Wj nicht eine Rückwirkung beinhaltet. Überentnahmen, die auf der Grundlage der Rspr zu den Mehrkontenmodellen entstanden sind, führen nunmehr ggf zu einer Einschränkung des Schuldzinsenabzugs. Erschwerend kommt hinzu, dass die rückwirkende Inkraftsetzung der gesetzlichen Regelung einen rechtzeitigen Ausgleich des negativen Buchkapitals und auch vo...