Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
ea) Rechtsstreitigkeiten
Rn. 492h
Stand: EL 80 – ET: 08/2008
Bei Rechtsstreitigkeiten – gerichtlich oder außergerichtlich – über das Bestehen von Forderungen oder Verbindlichkeiten vertritt der BFH eine typisierende Haltung: Erst wenn ein rechtskräftiges Urt oder eine unbedingte Schuldanerkenntnis vorliegt, kann die betreffende Forderung ein- oder eine vorsorglich gebildete Rückstellung ausgebucht werden. Dem Gerichtsurteil oder dem Schuldanerkenntnis kommt also auf jeden Fall ansatz- bzw wertbegründende Eigenschaft zu.
Beispiel (nach BFH BStBl II 1991, 213):
Ein die Forderung bestätigendes Urteil geht im Wertaufhellungszeitraum zu. Die Forderung wird damit als bestehend (auch am Bilanzstichtag) anerkannt. Gleichwohl ist sie in der Bilanz zum 31.12. nicht zu aktivieren.
Beispiel (nach BFH BStBl II 2002, 688):
Ein StPfl hatte wegen einer gegen ihn gerichtete (zivilrechtlichen) Klage eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet. Im Urt der Tatsacheninstanz, das vor dem Bilanzstichtag zuging, wurde diese Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Gleichwohl war nach Auffassung des BFH die Rückstellung noch nicht aufzulösen, weil der Kläger noch die Möglichkeit der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde hatte. Tatsächlich hatte er davon keinen Gebrauch gemacht, was allerdings erst nach dem Bilanzstichtag als "Ereignis" festgestellt werden konnte.
eb) Dividendenvereinnahmung
Rn. 492i
Stand: EL 80 – ET: 08/2008
Im BFH-Beschluss GrS 2/99 v 07.08.2000 (BFH BStBl II 2000, 632) ging es entscheidungserheblich um die Frage, ob ein nach dem Bilanzstichtag erfolgter Gewinnausschüttungsbeschluss durch die Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft beim Mutterunternehmen noch in der Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr (bei beiden Unternehmen identisch) als Forderung zu aktivieren ist ("phasengleiche Dividendenvereinnahmung"). Der BGH hat dies im Falle "Tomberger" (DStR 1998, 383) unter bestimmten Voraussetzungen bejaht (s Rn 1499 "Dividendenanspruch"). Dem GrS des BFH aaO zufolge ist ein Gewinnausschüttungsbeschluss wertbegründend (richtig: ansatzbegründend); vorher sei ein WG "Dividende" beim bilanzierenden Empfänger nicht vorhanden.
Zur Vermeidung einer Divergenzanrufung (gegen den BGH DStR 1998, 383) an den GmS-OGB hat der BFH hierzu eine undefinierte steuerliche Betrachtungsweise der GoB herangezogen mit der Folge, dass nunmehr die (handelsrechtlichen) GoB nicht mehr unbesehen der steuerlichen Gewinnermittlung zugrunde gelegt werden können. Der BFH spricht wörtlich von einem "handelsrechtlichen Wertaufhellungsprinzip", woraus zwingend folgt, dass es daneben noch ein steuerliches gibt (s Rn 350).
ec) Betriebsaufgabe, Betriebsveräußerung
Rn. 492k
Stand: EL 80 – ET: 08/2008
Der Wertaufhellungsgedanke gilt nicht für die Aufgabebilanz anlässlich einer Betriebsaufgabe bzw die Veräußerungsbilanz anlässlich einer Betriebsveräußerung (BFH BStBl II 1991, 802). Grund: Die fristgerechte Bilanzerstellung spielt hier keine Rolle. Ähnlich (Aufhebung des Stichtagsprinzips) argumentiert der HFA des IDW in PS 270 Tz 48: Eine Unterscheidung nach Wertaufhellung u Wertbegründung soll bei Aufhebung der Fortbestehenshypothese (§ 252 Abs 1 Nr 2 HGB) nicht mehr erforderlich sein. ME unzutreffend, vgl Schulze-Osterloh, DStR 2007, 1006.