Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach, Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann
Rn. 1646
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Grundsätzlich ist es Sache der FinBeh, wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 88 AO) den steuerlich relevanten Sachverhalt zu ermitteln. Dies gilt auch für das FG (§ 76 FGO). Zu der Ermittlungspflicht gehört gemäß § 88 Abs 2 AO auch, die für den StPfl günstigen Umstände zu berücksichtigen. Dies bedeutet, dass die FinBeh nicht nur die BE zu ermitteln hat, sondern auch die BA.
Lassen sich die BA konkret nicht feststellen, so ist die FinBeh verpflichtet, ggf die BA zu schätzen. Die Ermittlungspflicht der FinBeh ist dabei auch eingeschränkt. Genügt der StPfl den durch die Gestaltung seiner Verhältnisse bedingten und ihm deshalb auch zumutbaren Mitwirkungspflichten nicht oder nicht in vollem Umfang, tritt hierdurch zugleich eine Begrenzung der Pflicht der FinBeh oder des FG ein, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, mit der Folge, dass der betrieblich veranlasste Aufwand zu schätzen ist (BFH BStBl II 1990, 817). Eine Schätzung kommt jedoch nur in Betracht, wenn die Verwaltung oder das FG es nicht nur für möglich hält, dass entsprechende Aufwendungen entstanden sind, sondern die Aufwendungen müssen zumindest wahrscheinlich gewesen sein.
Hält der StPfl die Schätzung für überhöht, muss er den Nachweis liefern, dass seine Schätzung wahrscheinlicher ist (BFH BFH/NV 1993, 351; 2000, 1119). Ergibt sich ein Schätzungsrahmen, kann die FinBeh iRd Wahrscheinlichen vom Mindesten ausgehen. Sind zB BA iHv 1 000 EUR bis 1 500 EUR wahrscheinlich, kann die FinBeh 1 000 EUR ansetzen, dh, die Unsicherheit geht zu Lasten des StPfl.
Für die Frage, ob Aufwendungen entstanden sind, ist die Art der Buchung nur ein Indiz (aA BFH BStBl II 1985, 325).
Rn. 1647
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Kann das Gericht oder die FinBeh nicht zu einer Wahrscheinlichkeitsüberzeugung gelangen, so bleibt der behauptete oder mögliche Sachverhalt unberücksichtigt. Der StPfl hat dann die Folgen der Nichtfeststellbarkeit der tatsächlichen Voraussetzungen des Aufwands zu tragen, dh, ihn trifft die sog objektive Beweislast (im Verwaltungs-(gerichts-)verfahren wird sie wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes Feststellungslast genannt) für die für ihn günstigen Umstände (zuletzt BFH BFH/NV 2003, 1437).
Diese Beweislastregel ist jedoch nicht uneingeschränkt anzuwenden. In den Fällen, in denen nach der Erfahrung ein bestimmter Sachverhalt wahrscheinlich ist, kann sich nach dem Grundsatz des Prima-facie-Beweises die Feststellungslast umkehren (vgl BFH vom 09.08.2000, I R 82/99, GmbHR 2001, 208; BFH BFH/NV 1995, 548).
Rn. 1648
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
Nach § 160 AO ist der Abzug der nachgewiesenen oder geschätzten BA nicht möglich, wenn der StPfl dem Verlangen der FinBeh nicht nachkommt, die Gläubiger oder die Empfänger genau zu bezeichnen. § 160 AO gilt nach § 96 Abs 1 S 1 FGO auch im finanzgerichtlichen Verfahren, sodass auch das FG selbst nach eigenem Ermessen festlegen kann, ob es eine Benennung verlangt. Daneben hat die Vorschrift Bedeutung iRd allgemeinen Rechtmäßigkeitsprüfung hinsichtlich der Frage, ob die FinBeh ihr Ermessen bei der Ausübung des Benennungsverlangens korrekt ausgeübt hat. Das Ermessen des FA oder FG ist in zwei Stufen vorzunehmen (vgl im Einzelnen BFH BFH/NV 1996, 267; zur Prüfung beim FG s BFH BStBl II 1998, 51).
Eine Schätzung nach § 162 AO ist grds unabhängig von der Prüfung eines Abzugsverbots nach § 160 AO durchzuführen. Die bei der Anwendung des § 160 AO zu treffenden Ermessensentscheidungen können eine unterlassene Schätzung nicht ersetzen (BFH BStBl II 1998, 51).
Rn. 1649
Stand: EL 168 – ET: 10/2023
ABC der BA
Hierzu ausführlich s §§ 4, 5 Anh I (Nacke).