Rn. 9a
Stand: EL 158 – ET: 06/2022
Ein stets wiederkehrender Problemkreis bei dem Haftungstatbestand nach § 42d Abs 1 Nr 1 EStG ist die Haftung für den nicht vom AG berücksichtigten Lohn im Fall der Privatnutzung eines betrieblichen Pkw durch einen ArbN. Dieser bedeutende Anwendungsfall soll im Folgenden näher dargestellt werden. Nutzt ein ArbN einen dienstlichen Pkw zu privaten Zwecken und wird dieser Sachbezug nicht der LSt unterworfen, kommt es häufig zur Haftung des ArbG. Da zumeist in diesen Fällen kein Fahrtenbuch geführt wurde, ist der geldwerte Vorteil nach der 1-%-Regelung (§ 6 Abs 1 Nr 4 EStG bzw § 8 Abs 2 S 2 u 4 EStG) zu bemessen. Im Rahmen einer LSt-Außenprüfung wird nun häufig dieser geldwerte Vorteil bestritten. Hier stellt sich die Frage, wann in diesen Fällen von einer Privatnutzung ausgegangen werden kann.
Das FA oder im Klageverfahren das FG hat die Frage nach der ausschließlichen dienstlichen Nutzung oder die Annahme auch einer Privatnutzung im Rahmen einer umfassenden Beweiswürdigung zu beantworten (BFH BStBl II 2007, 116). Im Rahmen dieser Beweiswürdigung ging früher die Rspr des BFH davon aus, dass bei bloßer Möglichkeit der Privatnutzung aufgrund allg Lebenserfahrung ein Anscheinsbeweis für eine Privatnutzung spricht (BFH BStBl II 2007, 116 mwN; BFH BFH/NV 2010, 867). Es ist dann Sache des ArbG, den Anscheinsbeweis zu erschüttern. Diesen Grundsatz entwickelte der BFH erstmals in einer Entscheidung aus dem Jahr 1999 (BFH BFH/NV 1999, 1330). In der Folgezeit wurden in einer Reihe von Entscheidungen Argumente aufgeführt, die nun für oder gegen eine Erschütterung des Anscheinsbeweises sprachen.
Von dieser Richtschnur ist der VI. Senat des BFH abgewichen. Er wendet nunmehr den Anscheinsbeweis nicht mehr in seiner bisherigen Reichweite an, sondern schränkt ihn erheblich ein. Er ist nun folgender Ansicht (s BFH BStBl II 2010, 848): Steht nicht fest, dass der ArbG dem ArbN einen Dienstwagen zur privaten Nutzung überlassen hat, kann auch der Beweis des ersten Anscheins diese fehlende Feststellung nicht ersetzen. Denn der Anscheinsbeweis streitet nur dafür, dass ein vom ArbG zur privaten Nutzung überlassener Dienstwagen auch tatsächlich privat genutzt wird.
Der BFH führt in der Entscheidung aus, dass der Sachverhalt weiter aufzuklären sei. Das FG habe nach der Zurückverweisung nach Maßgabe des vorgenannten Rechtsgrundsatzes den dem LSt-Haftungsbescheid zu Grunde liegenden Sachverhalt insbesondere dahingehend weiter aufzuklären, ob und welches Fahrzeug dem Sohn des Klägers auch zur privaten Nutzung arbeitsvertraglich oder doch mindestens auf Grundlage einer konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung tatsächlich überlassen worden war. Sollte eine solche Überlassung festzustellen sein, so sei zu beachten, dass der allg Erfahrungssatz, ein zur privaten Nutzung überlassenes Dienstfahrzeug werde auch privat genutzt, zwar grundsätzlich auch bei einem zur Verfügung stehenden Privatfahrzeug gilt, dass aber der für die Privatnutzung sprechende Anscheinsbeweis umso leichter zu erschüttern ist, je geringer die Unterschiede zwischen dem Privat- und dem Dienstfahrzeug ausfallen (vgl BFH BFH/NV 2009, 1974).
Der BFH hat mit seinen am 10.07.2013 veröffentlichten vier neuen Urt zur Pkw-Privatnutzung
Die Änderung seiner Rspr ist von besonderer Bedeutung, da sie die bisherige Möglichkeit des ArbN, den Anscheinsbeweis, der für eine Privatnutzung spricht, zu erschüttern (Möglichkeit des Gegenbeweises), nicht mehr erlaubt. Damit ist eine Lohnversteuerung der Überlassung eines dienstlichen Pkw nach jetziger Rechtslage zu bejahen, wenn ein dienstliches Fahrzeug arbeitsvertraglich oder doch mindestens auf Grundlage einer konkludent getroffenen Nutzungsvereinbarung überlassen wurde. Die Möglichkeit eines Gegenbeweises besteht nicht mehr. Der ArbN kann also in dieser Situation nicht mehr nachweisen, dass er das Fahrzeug tatsächlich nicht genutzt hat (BFH BFH/NV 2013, 1396).
Bereits aus der uneingeschränkten Formulierung der Entscheidung v 21.04.2010 (BFH BFH/NV 2010, 848) lässt sich entnehmen, dass der VI. Senat hier keine reine Einzelfallentscheidung treffen wollte, sondern von seiner bisherigen Sichtweise abweichen will (vgl auch Geserich, DStR 2010, 1570; Geserich, NWB 2010, 1033; Schneider, NWB 2010, 2513; Schneider, NWB 2010, 3105). Mittlerweile hat der BFH seine neue Rspr auch insoweit mehrfach bestätigt (zuletzt BFH BStBl II 2012, 362; 2013, 700; 2013, 1044; 2013, 918; 2013, 920).
Darüber hinaus zeigt die Entscheidung aber auch, dass es der FinVerw in Zukunft schwerer fallen wird, die 1-%-Regelung anzuwenden. Nur wenn feststeht, dass die Möglichkeit der Privatnutzung vereinbart worden war, kommt der Anscheinsbeweis in der Weise zur Geltung, dass dann auch tatsächlich das betriebliche Fahrzeug privat genutzt wurde. Ist die Privatnutzungsmöglichkeit untersagt worden, so kann au...