1. Sachliche Bindungswirkung
Rn. 54
Stand: EL 166 – ET: 08/2023
Entsprechend der Regelungsaussage der Anrufungsauskunft,
Zitat
"wie die FinBeh einen ihr zur Prüfung gestellten typischerweise hypothetischen Sachverhalt im Hinblick auf die Verpflichtung zum LSt-Abzug gegenwärtig beurteilt",
BFH vom 27.02.2014, VI R 19/12, BStBl II 2014, 894, ist das Betriebsstätten-FA an die erteilte Auskunft gebunden, BFH vom 13.01.2011, VI R 61/09, BStBl II 2011, 479; BFH vom 05.06.2014, VI R 91/13, BFH/NV 2014, 1873. Diese Bindung umfasst den gesamten Bereich der LSt, neben dem LSt-Haftungsverfahren auch das LSt-Nachforderungsverfahren, BFH vom 17.10.2013, VI R 44/12, BFH/NV 2014, 229; BFH vom 05.06.2014, VI R 90/13, BStBl II 2015, 48; sofern der ArbG den LSt-Abzug entsprechend der erteilten Anrufungsauskunft vorgenommen hat, BFH vom 16.11.2006, VI R 23/02, BStBl II 2006, 210; BFH vom 30.04.2009, VI R 54/07, BStBl II 2010, 996; BFH vom 13.01.2011, VI R 61/09, BStBl II 2011, 479; BFH vom 20.03.2014, VI R 43/13, BStBl II 2014, 592. Dies gilt auch für ein LSt-Nachforderungsverfahren iRd LSt-Pauschalierung nach § 40 EStG, BFH vom 16.11.2005, VI R 23/02, BStBl II 2006, 210.
Die Anrufungsauskunft erstreckt sich hingegen nicht auf das Veranlagungsverfahren des ArbN zur ESt, BFH vom 13.01.2011, VI R 61/09, BStBl II 2011, 479; BMF vom 12.12.2017, BStBl I 2017, 1656 Tz 20.
Rn. 55
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Die Wirkung der Anrufungsauskunft erstreckt sich auch auf gleich gelagerte LSt-Tatbestände des nämlichen ArbN sowie im Verhältnis zu anderen ArbN, FG Bln vom 09.09.1969, III 41/69, EFG 1970, 364, da in gleich gelagerten weiteren Fällen jedenfalls wegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums eine Haftung nach § 42d EStG entfällt, Bleschick in H/H/R, § 42e EStG Rz 24 (Dezember 2020).
Rn. 56
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Die Bindungswirkung einer Anrufungsauskunft dürfte auf die davon abhängige Kirchen-LSt auszudehnen sein, soweit sich die Anrufungsauskunft auf einen Teil der Maßstabsteuer bezieht. Zwar sehen die Kirchensteuergesetze der Länder idR nur die entsprechende Anwendung der Vorschriften über den LSt-Abzug sowie die LSt-Haftung auf die Kirchen-LSt vor, nicht aber die entsprechende Anwendung des § 42e EStG; dessen entsprechende Anwendung auf die Kirchen-LSt erscheint jedoch gerechtfertigt, Bleschick in H/H/R, § 42e EStG Rz 5 (Dezember 2020).
Rn. 57
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Die Anrufungsauskunft ist entsprechend dem Rechtsgedanken des § 130 Abs 2 AO wirkungslos, falls der Sachverhalt in der Anfrage falsch oder in wesentlichen Punkten unvollständig dargestellt wurde, vgl dazu FG Mchn vom 17.02.2012, 8 K 3916/08, EFG 2012, 2313; Krüger in Schmidt, § 42e EStG Rz 9 (42. Aufl).
Rn. 58–61
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vorläufig frei
2. Persönliche Bindungswirkung bei einer dem ArbG erteilten Anrufungsauskunft
Rn. 62
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Verfährt der ArbG entsprechend der ihm erteilten Anrufungsauskunft, ist seine Haftungsinanspruchnahme auch dann ausgeschlossen, wenn die Auskunft unrichtig war, BFH vom 20.03.2014, VI R 43/13, BStBl II 2014, 592 Rz 16; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 33 (Mai 2022). Allerdings ist der ArbG nicht dazu verpflichtet, entsprechend der ihm erteilten Anrufungsauskunft zu verfahren, BFH vom 05.06.2014, VI R 90/13, BStBl II 2015, 48; BFH vom 05.06.2014, VI R 91/13, BFH/NV 2014, 1873; Krüger in Schmidt, § 42e EStG Rz 9 (42. Aufl); aA Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 35 (Mai 2022). Insoweit entspricht die Rechtslage in Bezug auf § 42e EStG der bei der verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs 2 AO sowie der bei der verbindlichen Zusage nach § 204 AO, BFH vom 30.04.2009, VI R 54/07, BFH/NV 2009, 1528; Bleschick in H/H/R, § 42e EStG Rz 25 (Dezember 2020). Der ArbG kann auch nicht gemäß § 40 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG durch LSt-Pauschalierungsbescheid in Anspruch genommen werden, wenn er entsprechend der erteilten Anrufungsauskunft verfährt. Richtet sich der ArbG jedoch nicht nach der ihm erteilten Anrufungsauskunft, kann er sich im Rahmen der LSt-Haftung nach § 42d EStG idR nicht mit Erfolg auf einen unentschuldbaren Rechtsirrtum berufen, Bleschick in H/H/R, § 42e EStG Rz 25 (Dezember 2020; FG Mchn vom 24.04.2008, 15 K 1124/08, EFG 2008, 1781.
Rn. 63
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Nach der geänderten Rspr des BFH (BFH vom 17.10.2013, VI R 44/12, BStBl II 2014, 892) erstreckt sich die Bindungswirkung einer durch das Betriebsstätten-FA gegenüber dem ArbG nach § 42e EStG erteilten Auskunft auch auf das LSt-Abzugsverfahren des ArbN, vgl auch BMF vom 12.12.2017, BStBl I 2017, 1656 Tz 16; Bleschick in H/H/R, § 42e EStG Rz 25 (Dezember 2020).
Bei der Anrufungsauskunft handelt es sich um einen VA mit Drittwirkung; das Betriebsstätten-FA kann die Frage, ob und inwieweit im einzelnen Fall die Vorschriften über die LSt anzuwenden sind, gegenüber sämtlichen am LSt-Abzugsverfahren Beteiligten nur einheitlich beantworten (Drenseck, DStJG 9 (1986), 377, 396; Heuermann in Brandis/Heuermann, § 42e EStG Rz 31 (Mai 2022); Krüger in Schmidt, § 42e EStG Rz 10 (42. Aufl). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf das gesamte LSt-Abzugsverfahren ...