Rn. 31
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
§ 46 Abs 2 Nr 1 EStG enthält zwei unabhängig voneinander zu prüfende Alternativen. Zum einen die nicht dem LSt-Abzug zu unterwerfenden stpfl Nebeneinkünfte und zum anderen die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte. Danach sind StPfl, deren Arbeitslohn dem LSt-Abzug unterlegen hat, zu veranlagen, wenn sie neben dem Arbeitslohn noch Einkünfte bezogen haben, die nicht der LSt zu unterwerfen waren und
- die positive Summe der estpfl Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs 3 EStG und § 24a EStG, jeweils mehr als 410 EUR betragen oder
- die positive Summe der Einkünfte und Leistungen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, jeweils mehr als 410 EUR betragen.
Der Gesetzgeber hat mit dem JStG 2007 vor dem Wort "Summe" das Wort "positiv" eingefügt und damit die Rspr des BFH (BFH v 21.09.2006, VI R 52/04, BStBl II 2007, 45 und BFH v 21.09.2006, VI R 47/05, BStBl II 2007, 47) aufgehoben. Nach dieser Rspr war bei verfassungskonformer Auslegung eine Amtsveranlagung nicht nur dann durchzuführen, wenn die positive Summe der Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren (Nebeneinkünfte), den Betrag von 410 EUR übersteigt, sondern auch dann, wenn die negative Summe der betreffenden Nebeneinkünfte den negativen Betrag von 410 EUR übersteigt. Diese Rspr stand im Zusammenhang mit den Vorlagebeschlüssen des BFH zur Verfassungswidrigkeit der Zweijahresfrist für die Amtsveranlagung nach § 46 Abs 2 Nr 8 EStG, s Rn 62.
Nach BFH/NV 2014,1739 ist die mit dem JStG 2007 eingeführte Regelung verfassungsgemäß. Nach BFH BStBl II 2013, 439 ist auch die Rückwirkung auf VZ vor 2007 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die gesetzlich normierten 410 EUR gemäß § 46 Abs 2 Nr 1 EStG sind Nettoeinkünfte, die sich nach Ausgleich mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten ergeben. Einkünfte iSd § 46 Abs 2 Nr 1 EStG können dabei Einkünfte aller Einkunftsarten des § 2 Abs 1 EStG sein. Der Begriff der Einkünfte ist iSd § 2 Abs 2 EStG zu verstehen, s BFH BStBl II 2013, 631.
Beispiel:
Sind Einkünfte aus VuV von 2 000 EUR vorhanden, außerdem Verluste von 1 700 EUR aus Gewerbebetrieb, so findet keine Veranlagung nach dieser Vorschrift statt, da "insgesamt" die Grenze von 410 EUR nicht überschritten wird.
Rn. 32
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Die 410-EUR-Grenze ist kein Freibetrag, sondern eine Freigrenze. Wird sie überschritten, sind diese Einkünfte voll in die Besteuerung einzubeziehen (BFH BStBl III 1953, 223). Der Betrag von 410 EUR stellt einen Jahresbetrag dar, auch wenn die StPfl nur während eines Teils des Kj besteht.
Bei der Ermittlung der 410-EUR-Grenze sind WK-Pauschbeträge nach § 9a S 1 Nr 1–3 EStG abziehbar, nicht hingegen die SA-Pauschbeträge nach § 10c Abs 1–3 EStG. Steuerfreie Einkünfte (zB gemäß § 3 EStG oder § 3b EStG) werden nicht erfasst. Unterliegen KapErtr (§ 20 EStG) und sonstige Einnahmen (zB § 50 Abs 2 EStG) einem abgeltenden Steuerabzug, so sind sie nicht anzusetzen.
Es besteht keine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs 2 Nr 1 EStG bei erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist gestelltem Antrag eines ArbN auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs 6 EStG wegen der Überschreitung der dort in § 46 Abs 2 Nr 1 EStG normierten 410-EUR-Grenze durch erzielte Kapitaleinkünfte, s FG BBg v 30.01.2020, EFG 2020, 532 (gegen FG Sachsen v 16.11.2017, 6 K 1271/17).
Rn. 33
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§ 46 Abs 2 Nr 1 EStG 2. Alt stellt klar, dass auch ausländische Einkünfte, die nach einem DBA steuerfrei sind, in die 410-EUR-Grenze mit einzubeziehen sind.
Beispiel:
Der StPfl hat im Jahr 2020 im Inland Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von 21 000 EUR bezogen. Seine Ehefrau hat im gleichen Jahr ausländische Einkünfte aus VuV in Höhe von 1 500 EUR erzielt, die aufgrund eines DBA im Inland steuerfrei sind.
Die Eheleute sind nach § 46 Abs 2 Nr 1 EStG zu veranlagen, da die Nebeneinkünfte mehr als 410 EUR betragen.
Rn. 34
Stand: EL 152 – ET: 08/2021
Einkünfte, die nicht der LSt zu unterwerfen waren, sind nur solche, bei denen nach den deutschen Steuergesetzen ein Steuerabzug durchgeführt wird. Ein ausländischer Steuerabzug kann iRd § 46 Abs 2 Nr 1 EStG nicht berücksichtigt werden.
Rn. 35
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Bei zusammen zu veranlagenden Ehegatten sind die Einkünfte beider Ehegatten bei Errechnung der 410-EUR-Grenze zusammenzurechnen, BFH BStBl III 1964, 244. Die gleichen Grundsätze gelten für die Errechnung der 410-EUR-Grenze in § 46 Abs 3 EStG und des § 70 EStDV. Nach der Rspr des BFH stellt diese Gleichstellung von Ehegatten mit Alleinstehenden keinen Verstoß gegen Art 6 GG dar (BFH BStBl III 1964, 244).