Rn. 187
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognose, ob die Bagatellgrenze unterschritten wird, ist der Zeitpunkt der Entrichtung der Gegenleistung.
Rn. 188
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Nach § 48 Abs 2 S 2 EStG sind für die Ermittlung des maßgeblichen Betrags die für denselben Leistungsempfänger erbrachten und voraussichtlich zu erbringenden Bauleistungen (genauer: die dafür zu entrichtenden Gegenleistungen) zusammenzurechnen (Prognose). Dabei werden nur die Gegenleistungen für Bauleistungen desselben Leistenden zusammengerechnet (Fuhrmann, KÖSDI 2001, 13 093). Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Bagatellgrenze, wohl aber aus der Bezugnahme auf den einzelnen Leistenden in dem ersten Satzteil des § 48 Abs 2 S 1 EStG. Nicht einzubeziehen sind Gegenleistungen, für die eine Freistellungsbescheinigung vorgelegt wird (Tz 51 BMF BStBl I 2022, 1229). Sind die zukünftigen Gegenleistungen für Bauleistungen absehbar, kann die Einhaltung der Bagatellgrenze durch Vereinbarung, dass die Zahlung erst im folgenden Kj geleistet wird, gestaltet werden. Die Grenze derartiger Gestaltungen ist § 42 AO (vgl Schroen, NWB Fach 3, 11 683).
Rn. 189
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Bei der Ermittlung des mit der Bagatellgrenze zu vergleichenden Betrags dürfen nur Gegenleistungen einbezogen werden, die für Bauleistungen iSd § 48 Abs 1 S 3 EStG erbracht werden. Unerheblich ist, ob der Leistende die Bauleistungen für dasselbe oder für verschiedene Bauwerke erbracht hat. Zum Begriff der Bauleistung s Rn 94ff.
Für die Frage, ob eine Bauleistung vorliegt, ist maßgeblich, welche Leistung dem Vertrag das Gepräge gibt. Nebenleistungen teilen das Schicksal der Hauptleistung (s Rn 114). Anders ist es allerdings, wenn die Bauleistung teilweise auf den unternehmerisch genutzten Teil und teilweise auf den nicht unternehmerisch genutzten Teil eines Bauwerks entfällt. In diesen Fällen wird für die Prüfung der Bagatellgrenze nur der Teil der Gegenleistung berücksichtigt, der auf den unternehmerisch genutzten Bauteil entfällt (Tz 50 BMF BStBl I 2022, 1229). Zum Begriff der Gegenleistung s Rn 125ff.
Rn. 190
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Ist die Bagatellgrenze überschritten, hat der Leistungsempfänger den Steuerabzug vorzunehmen. Dabei darf er den Bagatellbetrag nicht aus der Bemessungsgrundlage ausscheiden. Die Bagatellgrenze ist eine Freigrenze, kein Freibetrag (Tz 27 und 47 BMF BStBl I 2022, 1229; Fuhrmann, KÖSDI 2001, 13 093; Ebling, DStR 2003, 402).
Rn. 191
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Nimmt bei einer umsatzsteuerlichen Organschaft die Organgesellschaft im Auftrag des Organträgers den Steuerabzug vor (s Rn 78) oder nimmt bei einer juristischen Person des öffentlichen Rechts eine einzelne Organisationseinheit der juristischen Person den Steuerabzug vor (s Rn 81), besteht die Gefahr, dass die Befreiung im Hinblick auf die Bagatellgrenzen in Anspruch genommen wird, obwohl für den Organträger bzw die juristische Person des öffentlichen Rechts insgesamt die Bagatellgrenzen überschritten sind (Auseinanderfallen von einbehaltender Einheit und Leistungsempfänger).
Deshalb verlangt die FinVerw in beiden Fällen eine zentrale Überwachung der Freigrenze für alle Organisationseinheiten (Tz 48 und 49 BMF BStBl I 2022, 1229). Allerdings führt die Nichtbeachtung dieser Forderung zu keiner Sanktion, wenn die Bagatellgrenzen insgesamt nicht überschritten werden. Führt die fehlende Überwachung zu einem fehlerhaften Unterlassen des Steuerabzugs, greifen die allgemeinen Rechtsfolgen für den nicht ordnungsgemäßen Steuerabzug ein (vgl aber Diebold, DB 2003, 1134: Umkehr der Beweislast für Haftung).
Rn. 192
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Geht der Leistungsempfänger zunächst davon aus, dass die Bagatellgrenze unterschritten bleibt, und ergibt sich später, dass durch weitere Bauleistungen und damit zusammenhängende Gegenleistungen die Bagatellgrenze überschritten wird, ist jedenfalls von der Gegenleistung, die zum Überschreiten der Bagatellgrenze führt, der Steuerabzug vorzunehmen. Fraglich ist aber, ob von dieser Gegenleistung auch noch der unterbliebene Steuerabzug für die vorherigen Gegenleistungen vorgenommen werden muss. Die FinVerw nimmt dies unabhängig von einem Verschulden des Leistungsempfängers an (Tz 51 BMF BStBl I 2022, 1229 mit Bsp). Etwas inkonsequent akzeptiert die FinVerw aber, dass der Steuerabzug auf die Höhe der nachträglich zu leistenden Gegenleistung begrenzt wird. Der Leistungsempfänger muss also nichts hinzuschießen (Tz 52 BMF BStBl I 2022, 1229 mit Bsp; ebenso: Kleiner, INF 2001, 705; Beck/Girra, NJW 2002, 1079; Apitz, StBp 2002, 366).
ME ist diese Sichtweise nicht gesetzeskonform. Maßgeblich für die Frage, ob der Leistungsempfänger v Steuerabzug befreit ist, ist die sachgerechte Prognose im Zeitpunkt der Erbringung der jeweiligen Gegenleistung. Lautet die Prognose in diesem Zeitpunkt dahingehend, dass die Bagatellgrenze im Kj unterschritten wird, dann entfällt die Steuerabzugsverpflichtung für die Gegenleistung. Sie lebt auch n...