Rn. 1
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Die Vorschriften über den Steuerabzug bei Bauleistungen in §§ 48–48d EStG richten sich gegen die illegale Betätigung im Baugewerbe. Der Gesetzgeber versteht unter der illegalen Betätigung im Baugewerbe den Einsatz von Werkvertragsunternehmen mit tatsächlichem oder vorgeblichem Auslandssitz, die unter Einschaltung von unseriös operierenden Subunternehmern oder Scheinfirmen ihren steuerlichen Pflichten nicht nachkommen. Dadurch kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen, zur Verdrängung von seriösen Anbietern und zur Vernichtung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. In dem Gesetzesentwurf zur Einführung der §§ 48–48d EStG gab der Bundesrat im Jahr 2000 den volkswirtschaftlichen Schaden durch die illegale Betätigung mit jährlich etwa 125 Mrd DM Steuereinnahmen und rund 110 Mrd DM Sozialversicherungsbeiträgen an (BT-Drucks 14/4658, 1).
Rn. 2
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Die FinVerw hatte vor der Einführung der sog Bauabzugsteuer häufig keine Kenntnis von den Bautätigkeiten, die im Ausland ansässige Werkvertragsunternehmer im Inland ausführten. Wenn der Vorgang durch eine Kontrollmitteilung oder eine Außenprüfung beim Leistungsempfänger im Nachhinein offenbar wurde, war der ausländische Unternehmer regelmäßig nicht mehr greifbar. Betroffen waren neben der USt – die von dem Sicherungsmechanismus der §§ 48ff EStG nicht erfasst ist – vor allem LSt-Abzugspflichten für die im Inland eingesetzten ArbN. Außerdem entstehen für im Ausland ansässige Unternehmer inländische ESt- oder KSt-Pflichten, wenn sie im Inland eine Betriebsstätte begründen. Hierfür sind nach inländischem Recht Bauausführungen oder Montagen, die länger als sechs Monate dauern, erforderlich (§ 12 S 2 Nr 8 AO iVm § 49 Abs 1 Nr 2 Buchst a EStG), soweit nicht bereits aus anderen Gründen (zB feste Geschäftseinrichtung iSd § 12 S 1 AO) eine Betriebsstätte vorhanden ist. Nach den DBA bedarf es dagegen regelmäßig einer Zeitdauer von zwölf Monaten, um eine Baubetriebsstätte zu begründen (vgl zum Ganzen: Eggers, StuB 2001, 1149; Stickan/Martin, DB 2001, 1441).
Verschleierungshandlungen führten häufig dazu, dass entweder der Zeitraum der inländischen Betätigung (durch Vortäuschung, dass verschiedene Firmen nacheinander tätig waren) oder die Identität des Leistenden (durch Einschaltung von Domizilgesellschaften) im Dunkeln blieb. Konnte der Leistende nicht ermittelt werden, wurde regelmäßig der BA-Abzug beim Leistungsempfänger gemäß § 160 AO versagt.
Rn. 3
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Der Gesetzgeber versprach sich durch die Einführung einer Steuerabzugsverpflichtung an der Quelle eine Eindämmung der Steuerhinterziehung durch die beauftragten Werkvertragsunternehmer und die ArbN (vgl BT-Drucks 14/4658, 1f). Ob die §§ 48–48d EStG tatsächlich zur Verringerung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung von Ausländern im Baugewerbe geführt haben, kann mit guten Gründen bezweifelt werden. Unabhängig davon führen die sehr komplexen Regelungen zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand nicht nur beim Leistungsempfänger, der für den Staat als Verwaltungshelfer herangezogen wird, sondern auch beim Leistenden, der zur Vermeidung des Steuerabzugs eine Freistellungsbescheinigung zu beantragen hat, und schließlich bei der FinVerw, die das Steuerabzugsverfahren zu überwachen und auch das Freistellungsverfahren verwaltungsmäßig zu bewältigen hat (ebenso: Schwenke, BB 2001, 1553; Lieber, DStR 2001, 1470). Für den Bereich der USt sah der Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf, weil insoweit ausreichende Sicherungsvorkehrungen in §§ 51ff UStDV aF (heute: § 13b Abs 2 Nr 4 UStG) bestanden (BT-Drucks 14/4658, 9).
Rn. 4
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Der Steuerabzug ist von (bestimmten) Empfängern der Bauleistungen im Inland vorzunehmen (§ 48 Abs 1 S 1 EStG). Sie haben von der Gegenleistung 15 % einzubehalten, anzumelden und an den Staat abzuführen. Der Steuerabzug entfällt nur, wenn der Leistende eine Freistellungsbescheinigung vorlegt oder wenn ein gesetzlich näher bezeichneter Bagatellfall vorliegt (§ 48 Abs 1 S 2, Abs 2 EStG). Kommt der Leistungsempfänger seiner Verpflichtung nicht nach, haftet er für den nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag (§ 48a Abs 3 S 1 EStG). Nimmt der Leistungsempfänger den Steuerabzug ordnungsgemäß vor, so erhält er gemäß § 48 Abs 4 EStG Erleichterungen beim BA-/WK-Abzug (keine Anwendung von § 160 Abs 1 S 1 AO), bei ArbN-Überlassungen (keine Entleiherhaftung und kein Sicherungseinbehalt) und in Fällen der beschränkten StPfl (kein Anordnungseinbehalt gemäß § 50a Abs 7 EStG). Der einbehaltene und angemeldete Steuerabzugsbetrag wird auf die von dem Leistenden zu entrichtende Steuer angerechnet (§ 48c Abs 1 EStG). Hat der Leistende im Inland keine Steuern zu zahlen, kann er sich den Steuerabzug erstatten lassen (§ 48c Abs 2 EStG).
Rn. 5
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Um das Regelungssystem des Steuerabzugs bei Bauleistungen zu erfassen, müssen die Vorschriften in §§ 48–48d EStG zusammen betrachtet werden. Schlagwortartig wird i...