Rn. 84
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Der Leistende iSd § 48 Abs 1 S 1 EStG ist derjenige, der nach dem zugrunde liegenden Vertrag der Auftragnehmer und dementsprechend verpflichtet ist, die Bauleistung zu erbringen. Das Gesetz schränkt den Personenkreis möglicher Leistender in keiner Weise ein ("jemand"). Durch den Einbezug inländischer Leistender soll vermieden werden, dass die Vorschrift gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot verstößt (Schmitt/Seitz, Stbg 2001, 669). Außerdem sollen Umgehungsgestaltungen durch die Zwischenschaltung von Inländern verhindert werden (Ebling, DStR 2001, Beihefter zu Heft 51/52). Es ist unerheblich, ob der Leistende
- eine natürliche Person, eine juristische Person oder eine Personenvereinigung ist (Apitz, FR 2002, 10),
- im Inland oder im Ausland ansässig ist (Tz 23 BMF BStBl I 2022, 1229; FG D'dorf v 04.03.2002, 10 V 1007/02, AE, EFG 2002, 688),
- im Inland unbeschränkt, beschränkt oder nicht stpfl ist (BFH I R 46/17, BStBl II 2020, 552, Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az des BVerfG: 2 BvR 1392/20; FG He v 16.05.2017, 4 K 63/17, EFG 2017, 1351; FG D'dorf v 10.10.2017, 10 K 1513/14 E, EFG 2018, 959; kritisch: Wübbelsmann, IStR 2003, 802).
Rn. 85
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Zwar wird der Leistende regelmäßig Unternehmer iSd § 2 UStG sein. Dies wird im Gesetz aber nicht vorausgesetzt (Schroen, NWB Fach 3, 11 683; Gebhardt/Biber, EStB 2001, 462). Deshalb vertritt die FinVerw zu Recht die Auffassung, dass es nicht erforderlich ist, dass das Erbringen von Bauleistungen zum Unternehmenszweck des Leistenden gehört oder dass das Unternehmen des Leistenden überwiegend Bauleistungen ausführt. Auch wenn der Leistende nur ausnahmsweise eine Bauleistung erbringt, unterliegt sie grds dem Steuerabzug (Tz 23 BMF BStBl I 2022, 1229; vgl auch Schmitt/Seitz, Stbg 2001, 669; Ballof, EStB 2004, 167). Die teilweise geforderte teleologische Reduktion des Gesetzeswortlauts dahingehend, dass der Leistende Unternehmer sein muss (so Stickan/Martin, DB 2001, 1441; Ebling, DStR 2001, Beihefter zu Heft 51/52; Apitz, FR 2002, 10), entspricht nicht der Zielsetzung des Gesetzgebers (wie hier: Fuhrmann, KÖSDI 2001, 13 093; Lieber, DStR 2001, 1470; Naujok in Lademann, § 48 EStG Rz 84 (November 2017)). Deshalb greift die Steuerabzugsverpflichtung auch dann ein, wenn die Bauleistung durch einen nur einmalig tätigen "Schwarzarbeiter" erbracht wird (ebenso: Loschelder in Schmidt, § 48 EStG Rz 5 (41. Aufl)).
Rn. 86
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Nicht recht verständlich ist, weshalb die FinVerw meint, dass Bauleistungen, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit erbracht werden, nicht dem Steuerabzug unterliegen sollen. Nach Auffassung der FinVerw soll es in diesen Fällen genügen, wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts bei der Ausführung der Bauleistung bzw auf der Abrechnung in geeigneter Weise auf ihren Status hinweist. Gleiches soll gelten, wenn die Bauleistung bzw die Abrechnung gegenüber einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht wird. Nur wenn die juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen eines BgA Bauleistungen erbringt, soll der Steuerabzug erforderlich sein (Tz 24 BMF BStBl I 2002, 1399; ebenso: Eggers, StuB 2003, 342). Hintergrund ist, dass die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur mit ihren BgA der Besteuerung unterliegen, so dass im Übrigen der Sicherungszweck der §§ 48ff EStG leer läuft (Diebold, DB 2003, 1134). Dennoch ist die im Verwaltungsweg vorgenommene Begrenzung der Steuerabzugsverpflichtung nicht mit dem Gesetz vereinbar. Die FinVerw ist nicht befugt, einen eindeutigen Gesetzesbefehl ("erbringt jemand … eine Bauleistung") nach ihrem Gutdünken nicht umzusetzen, weil es ihr nicht notwendig erscheint (aA Ebling, DStR 2003, 402: teleologische Reduktion zulässig).
Rn. 87
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Nach § 48 Abs 1 S 4 EStG gilt als Leistender auch derjenige, der über eine Leistung abrechnet, ohne sie erbracht zu haben (Fiktion eines Leistenden). § 48 Abs 1 S 4 EStG soll Umgehungsgestaltungen verhindern, die durch Zwischenschaltung von nicht leistenden, aber abrechnenden Dritten entstehen können. Ziel ist es, Domizil- und Briefkastenfirmen in den Anwendungsbereich der Bauabzugsteuer einzubeziehen (Stickan/Martin, DB 2001, 1441; Apitz, FR 2002, 10). Zu der Frage, ob Domizil- und Briefkastenfirmen bei einem ordnungsgemäßen Steuerabzug in den Genuss des Ausschlusses von § 160 AO kommen können (§ 48 Abs 4 Nr 1 EStG), s Rn 212.
Rn. 88
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
§ 48 Abs 1 S 4 EStG greift auch beim Generalunternehmer ein, der im Verhältnis zu seinem Auftraggeber Leistender ist, die Bauleistungen aber durch seine Subunternehmer erbringen lässt (Tz 24 BMF BStBl I 2022, 1229; zur Qualifizierung des Generalunternehmers als Leistungsempfänger im Verhältnis zu seinen Subunternehmern s Rn 74). Ein Bauträger ist im Verhältnis zu dem Auftraggeber Leistender, wenn es sich nach den vertraglichen Grundlagen nicht um...