Rn. 26
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Gemäß § 48a Abs 3 S 1 EStG haftet der Leistungsempfänger für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Durch § 48d Abs 1 S 6 EStG stellt der Gesetzgeber klar, dass sich der Leistungsempfänger im Haftungsverfahren nicht darauf berufen kann, dass die Einkünfte des Leistenden aufgrund von DBA-Regeln im Inland nicht der Besteuerung unterliegen. Die gesetzliche Anordnung stellt sicher, dass ein pflichtwidrig den Steuerabzug unterlassender Leistungsempfänger durch Haftungs- oder Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen werden kann, unabhängig davon, dass § 191 Abs 5 AO für die Haftung grds vorsieht, dass der zugrunde liegende Steueranspruch bestehen muss (Akzessorietät). Die gesetzliche Regelung implementiert auch für Haftungsfälle die Zweistufigkeit des Verfahrens (zunächst Einziehung des Steuerabzugsbetrags im Rahmen des Steueranmeldungsverfahrens oder im Rahmen des Haftungs- bzw Nachforderungsverfahrens und erst anschließend die Rückerstattung im Rahmen des Erstattungsverfahrens gemäß § 48c Abs 2 EStG).
Rn. 27
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Sind die Einkünfte aus der Bauleistung bereits nach innerstaatlichem Recht nicht stpfl (s Rn 19), ist § 48d Abs 1 S 6 EStG nicht anwendbar. Dies bedeutet aber nicht, dass der pflichtwidrig den Steuerabzug unterlassende Leistungsempfänger nicht in Haftung genommen werden kann, wenn der Leistende nach innerstaatlichem Recht nicht stpfl ist. Der BFH hat bereits entschieden, dass sich die Akzessorietät nicht auf die Steueransprüche gegenüber dem Leistenden, sondern auf den der Haftung unmittelbar zu Grunde liegenden Steuerabzugsanspruch gemäß § 48 EStG bezieht (BFH I R 46/17, BStBl II 2020, 552, Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az des BVerfG: 2 BvR 1392/20; FG D´dorf v 23.06.2014, 12 K 748/13 H; FG Mchn v 24.09.2009, 7 K 1238/08, EFG 2010, 147; ebenso für die KapSt: BFH VIII R 59/14, BStBl II 2018, 163; ebenso für die LSt: BFH VI R 5/05, BStBl II 2008, 597; früher zweifelnd: BFH I B 160/08, BFH/NV 2009, 377). Daraus ergibt sich, dass es für die Verwirklichung des Haftungstatbestands unerheblich ist, ob für den Leistenden im Inland zu sichernde Steueransprüche bestehen (vgl Tz 70 BMF BStBl I 2022, 1229). Zu weiteren Einzelheiten s § 48a Rn 68 (Wienbergen).
Rn. 28
Stand: EL 160 – ET: 10/2022
Sind die Voraussetzungen für eine Haftung gemäß § 48a Abs 3 S 1 EStG gegeben, entscheidet das FA nach pflichtgemäßem Ermessen über die Inanspruchnahme des Leistungsempfängers (§ 191 Abs 1 S 1 AO). Der BFH fordert unter Hinweis auf § 48d Abs 1 S 6 EStG keine besonderen Ermessenserwägungen, wenn die Einkünfte eines ausländischen Leistenden aufgrund eines DBA im Inland nicht stpfl sind. Die Vorschrift stelle klar, dass Steuerbefreiungen aufgrund eines DBA auf die Haftung des Leistungsempfängers keinen Einfluss haben.
Offen gelassen hat der BFH, ob im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen ist, wenn der Leistende bereits nach inländischem Steuerrecht nicht stpfl ist (BFH I R 46/17, BStBl II 2020, 552, Verfassungsbeschwerde eingelegt, Az des BVerfG: 2 BvR 1392/20). Auch für diese Fallgruppe sprechen die besseren Argumente dafür, dass die Ermessensausübung bei einem nicht ordnungsgemäß durchgeführten Steuerabzug dahingehend vorgeprägt ist, dass eine Haftung regelmäßig in Betracht kommt (ebenso FG He v 16.05.2017, 4 K 63/17, EFG 2017, 1351). Zu weiteren Einzelheiten und Ausnahmen s § 48a Rn 70ff (Wienbergen).