Prof. Dr. Simone Briesemeister-Dinkelbach
Rn. 59
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Realisation stiller Lasten im Übertragungszeitpunkt: Die Realisation stiller Lasten durch Übertragung der Verpflichtung wird vom Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der Rspr (vgl BFH v BFH v 17.10.2007, I R 61/06, BStBl II 2008, 555; BFH v 26.04.2012, IV R 43/09, BFH/NV 2012, 1248; s Rn 4) nicht in Frage gestellt. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus der Streckung des Aufwands nach § 4f EStG beim Übertragenden, ebenso wie aus den auf einen Zurechnungswechsel der Schuld abstellenden Anordnungen des § 5 Abs 7 EStG.
Systembrechende Rechtsfolgenanordnungen: Der Aufwand, der sich aus dem Übertragungsvorgang ergibt, kann gemäß § 4 Abs 1 S 1 EStG grds nur auf das Jahr der Realisation der stillen Last und die folgenden 14 Wj gleichmäßig verteilt als BA abgezogen werden. Mit § 4f EStG (und dessen Zusammenspiel mit § 5 Abs 7 EStG) hat der Gesetzgeber zum Zweck der Sicherung des Steueraufkommens (s Rn 9) einschneidende Systembrüche hingenommen. Stille Lasten dürfen sich trotz Realisation nicht unmittelbar im Realisationszeitpunkt auswirken. Folge ist eine profiskalisch-asymmetrische Behandlung realisierter stiller Reserven und stiller Lasten beim Übertragenden unter Durchbrechung des Realisationsprinzips: Gewinne aus der Realisation stiller Reserven werden sofort der Besteuerung unterworfen (Ausnahmen insb § 6b EStG, R 6.6 EStR), während Verluste aus der Realisation stiller Lasten nur verteilt über 15 Wj steuermindernde Wirkung entfalten können. Bei entgeltlicher Übertragung von Verpflichtungen, die stille Lasten beinhalten, wird die steuerliche Leistungsfähigkeit des Altschuldners, der den Aufwand (Gegenleistung) für die Wegschaffung der Verpflichtung zu tragen hat, im Realisationszeitpunkt massiv verzerrt abgebildet. Dies wird im Besonderen sichtbar, wenn die Gegenleistung in der Hingabe eines stille Reserven beinhaltenden WG besteht: die stillen Reserven aus dem abgehenden WG werden besteuert, stille Lasten aber zunächst nur zu 1/15 berücksichtigt (zum Saldierungsverbot s Rn 69); sind aufgedeckte stille Reserven und Lasten gleich hoch, findet eine Besteuerung ohne Leistungsfähigkeitszuwachs statt. Eine ratierliche Entlastung in den Folgejahren setzt (nach Ablauf des Verlustrücktragszeitraums gemäß § 10d EStG) eine Gewinnsituation beim Übertragenden voraus.
Der Systembruch setzt sich fort beim Übernehmenden: Die Anordnung eines (auf 15 Jahre verteilungsfähigen) Erwerbsgewinns beim Übernehmenden durch § 5 Abs 7 EStG durchbricht den ehernen Grundsatz der Erfolgsneutralität des Anschaffungsvorgangs und führt zum Ausweis rein fiktiver, nicht leistungsfähigkeitsgedeckter Gewinne (zur Ebene des Übernehmenden im Einzelnen s §§ 4, 5 Rn 1492 (Hoffmann)).
Rn. 60
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
Abkopplung der Aufwandsverteilung vom Fortgang der Verpflichtung: Die Verteilung des Aufwands aus der Übertragung der Verpflichtung erfolgt linear iH v 6,67 % pa. Sie wird von der weiteren Entwicklung der dem Übertragenden nicht mehr zuzurechnenden Verpflichtung abgekoppelt. Beim Übertragenden bleibt es selbst dann bei der Aufwandsverteilung auf 15 Jahre, wenn sich die stille Last innerhalb des Verteilungszeitraums beim Übernehmenden realisiert. Ein StPfl, der eine stille Last durch Übertragung der Verpflichtung realisiert, wird damit schlechter gestellt als ein StPfl, der eine stille Last innerhalb des 15-jährigen Verteilungszeitraums ohne Übertragung realisiert. Dies ist insb dann überschießend, wenn a priori feststeht, dass der spätestmögliche Realisationszeitpunkt dem Ablauf des 15-jährigen Verteilungszeitraums (uU deutlich) vorausgeht. Bei Drohverlusten ist diese Verteilungsdauer regelmäßig überschießend (vgl das Beispiel bei Lüdenbach/Hoffmann, GmbHR 2014, 126). Wenn ein Drohverlust aus einem schwebenden Geschäft, der nach § 5 Abs 4a EStG nicht passiviert wird, von einem Dritten entgeltlich übernommen wird, muss die Aufwandsverteilung auf 15 Jahre erfolgen, auch wenn der Drohverlust zB im Jahr 3 nach der Übernahme realisiert wird. § 4f EStG begründet damit eine erhebliche Anreizwirkung für Unternehmen, sich passivierungsbeschränkten Verpflichtungen nicht vorzeitig zu entledigen (Bongaerts/Schäperclaus in Fuhrmann/Kraeusel/Schiffers, eKomm, § 4f EStG Rz 13). Bei kurz- bis mittelfristig zu erwartender Inanspruchnahme aus einer passivierungsbeschränkten Verpflichtung wirkt § 4f EStG einer Auslagerung der Verpflichtung prohibitiv entgegen und greift damit in das Risikomanagement der StPfl in bedenklicher Weise ein.
Rn. 61–63
Stand: EL 151 – ET: 06/2021
vorläufig frei