Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
Rn. 116
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
§ 50d Abs 3 S 2 Hs 2 EStG nimmt börsennotierte Gesellschaften von der Anwendung des § 50d Abs 3 EStG aus. Dies geschieht ausweislich der Gesetzesbegründung aus Vereinfachungsgründen, da bei einer Vielzahl von Anteilseignern die Gefahr einer Instrumentalisierung der Körperschaft für eine missbräuchliche Inanspruchnahme von Steuervorteilen nicht gegeben sein sollte (BT-Drs 19/27632, 61). Voraussetzung dazu ist jedoch, dass mit der Hauptgattung ihrer Anteile ein wesentlicher und regelmäßiger Handel an einer staatlich anerkannten Börse stattfindet.
Die ausländische Gesellschaft kann Quellensteuerentlastungsansprüche dann ohne Prüfung der Missbrauchsvermutung des § 50d Abs 3 S 1 EStG in Anspruch nehmen. Dies entspricht nahezu wortgleich der Vorgängerregelung des § 50d Abs 3 S 5 EStG idF des BeitrRLUmsG.
Rn. 117
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Die Ausnahmeregelung für börsennotierte Gesellschaften knüpft begrifflich an die Börsenklausel des § 13 Abs 1 S 4 AStG an. Unter Hauptgattung der Anteile werden diejenigen verstanden, die das Kapital repräsentieren und idR auch Stimmrechte verleihen. Von diesen muss ein nicht unbedeutender Teil an einer anerkannten, dh durch die Aufsichtsbehörde genehmigten Börse gehandelt werden, eine bloße Notierung an der Börse und nur vereinzelte Aktienübertragungen reichen nicht aus (BMF vom 22.12.2023, BStBl I 2023, Sonder-Nr 1/2023 Rz 13.1.4.2 zum AStG).
Für den Begriff der anerkannten Börse kann auf die Definition des organisierten Marktes iSd § 2 Abs 11 WpHG zurückgegriffen werden, die auf vergleichbare Märkte mit Sitz außerhalb der EU und des EWR ausgedehnt wird (s zur Vorgängerregelung BMF 24.01.2012, BStBl I 2012, 171 Tz 9.1).
Rn. 118
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Die Ausnahmeregelung für börsennotierte Gesellschaften kann auch bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen erfüllt sein. Soweit eine persönliche Entlastungsberechtigung gegeben ist, wird auch eine mittelbar beteiligte Person durch § 50d Abs 3 S 2 Hs 2 EStG von der Anwendung des S 1 des § 50d Abs 3 EStG ausgenommen (BT-Drs 19/27632, 61; Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 3 (22. Aufl 2023); Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d EStG Rz 586f (03/2022), aA Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 98 (12/2021)). Verlangt man wie die hM für die persönliche Entlastungsberechtigung die Existenz eines nämlichen Entlastungsanspruchs im Sinne einer Rechtsgrundlagenidentität, muss die mittelbar beteiligt Person eine identische Entlastungsberechtigung nach dem gleichen DBA oder der gleichen EU-Richtlinie vorweisen können.
Beispiel:
An einer im Inland ansässigen GmbH ist die in einem DBA-Staat ansässige ForCo 1 zu 100 % beteiligt. An der ForCo 1 wiederum hält die ForCo 2 100 % der Anteile. ForCo 2 ist im gleichen Staat wie ForCo 1 ansässig und börsennotiert gem § 50d Abs 3 S 2 Hs 2 EStG.
Auch wenn ForCo 1 keine Wirtschaftstätigkeit ausübt und deshalb nicht entlastungsberechtigt nach § 50d Abs 3 S 1 Nr 2 EStG wäre, ergibt sich die Nichtanwendung der Missbrauchsvermutung aus der persönlichen Entlastungsberechtigung der ForCo 2. Dies resultiert daraus, dass ForCo 2 bei einem fiktiven Direktbezug inländischer Einkünfte aufgrund ihrer Börsennotierung nach § 50d Abs 3 S 2 Hs 2 EStG ohne weitere Prüfung der sachlichen Tatbestandsmerkmale entlastungsberechtigt wäre.
Rn. 119–121
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
vorläufig frei