Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
a) Grundsätzliches
Rn. 84
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Sachliches Indiz einer missbräuchlichen Abkommensinanspruchnahme ist nach § 50d Abs 3 S 1 Nr 2 EStG das Fehlen eines wesentlichen Zusammenhangs der Einkunftsquelle mit einer Wirtschaftstätigkeit derjenigen Körperschaft, die den Entlastungsanspruch geltend macht; nicht als Wirtschaftstätigkeit gelten dabei
- das Erzielen der Einkünfte,
- deren Weiterleitung sowie
- die Tätigkeit mit einem für den Geschäftszweck nicht angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb.
Ein nur teilweiser wirtschaftlicher Zusammenhang kann zu einem teilweisen Entlastungsausschluss führen ("soweit").
Kann dieses Missbrauchsindiz widerlegt werden, führt selbst eine fehlende persönliche Entlastungsberechtigung nicht zum Ausschluss der vorgesehenen Quellensteuerabsenkungen. Diese gesetzliche Ausgestaltung entspricht grundsätzlich dem allg Missbrauchsverständnis. Stehen die Einkünfte aus einer inländischen Einkunftsquelle in Zusammenhang mit einer Wirtschaftstätigkeit der Körperschaft, die die Entlastung begehrt, liegt keine missbräuchliche Gestaltung vor, denn deren Zwischenschaltung ist dann wirtschaftlich und nicht steuerlich begründet.
Rn. 85
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Im Gegensatz zur Vorgängerregelung in § 50d Abs 3 idF des BeitrRLUmsG wird in der geltenden Fassung für die sachliche Entlastungsberechtigung nicht mehr auf die Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit der ausländischen Gesellschaft abgestellt, sondern eine funktionsorientierte Zuordnung der jeweiligen Erträge vorgenommen. Dadurch kann es nicht mehr dazu kommen, dass funktional mit der inländischen Einkunftsquelle verbundene Erträge aufgrund einer starren proportionalen Aufteilung nicht in den Genuss einer Entlastungsberechtigung kommen (s zu Kritik an der Vorgängerregelung statt vieler Lüdicke, IStR 2012, 81 (83f)).
Unter der geltenden Gesetzesfassung kommt der sachlichen Entlastungsberechtigung eine gestiegene Bedeutung zu, da eine persönliche Entlastungsberechtigung aufgrund der nach hM erforderlichen Anspruchsgrundlagenidentität nur in wenigen Ausnahmefällen gegeben sein wird (s Grotherr, Ubg 2021, 84 (89); Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz 55 (12/2022); Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d EStG Rz 241 (03/2022)).
b) Wirtschaftstätigkeit
Rn. 86
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Grundlegend für die Prüfung der sachlichen Entlastungsberechtigung ist zunächst das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit bei der Körperschaft, die den Entlastungsanspruch geltend macht. Wie bereits im Rahmen der Vorgängerregelung ist im Gesetz nicht positiv definiert, was eine "Wirtschaftstätigkeit" ausmacht; es wird lediglich negativ abgegrenzt, dass das Erzielen der Einkünfte, deren Weiterleitung sowie eine Tätigkeit mit nicht angemessen eingerichtetem Geschäftsbetrieb keine Wirtschaftstätigkeit darstellen. Daraus lässt sich ableiten, dass an das Vorliegen einer eigenen Wirtschaftstätigkeit keine hohen Anforderungen zu stellen sind; mangels positiver Qualifikationsmerkmale ist eine Wirtschaftstätigkeit bereits dann gegeben, wenn keines der voneinander unabhängigen Negativmerkmale erfüllt ist.
Ausreichend ist insoweit jegliche Aktivität der Körperschaft, die über das bloße Erzielen von Einkünften, deren Weiterleitung sowie einer Tätigkeit ohne angemessene Substanz hinausgeht (hM Sternberg in K/S/M, § 50d EStG Rz B27 (11/2023); Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 25f (22. Aufl 2023); Schönfeld/Erdem in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, § 50d EStG Rz 252, 342, 345ff (03/2022); Schnitger/Gebhardt, IStR 2021, 289 (293)).
Rein vermögensverwaltende Tätigkeiten sind somit im Grundsatz einbezogen, wobei die Grenzlinien im Einzelfall aus der Gesamtschau der Negativmerkmale abzuleiten sind. Eine Wirtschaftstätigkeit liegt zweifelsfrei vor bei einer originär gewerblichen Tätigkeit durch Erbringung von Lieferungen und sonstigen Leistungen, auch dann, wenn dies nur gegenüber einer oder mehreren Konzerngesellschaften erfolgt (s zur Vorgängerregelung BMF BStBl I 2012, 171 Tz 5.1.).
Mangels gesetzlicher Vorgaben, wo eine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet wird, ist auch die Aktivität einer Betriebstätte im Inland oder in einem Drittstaat einzubeziehen (zB Loschelder in Schmidt, § 50d Rz 23 (42. Aufl 2023); Schnitger/Gebhardt, IStR 2021, 289 (293f); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz 66 (12/2021); Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 29 (22. Aufl 2023); so auch Cloer/hagemann in B/B, § 50d EStG Rz 189 (07/2017); zur Vorgängerregelung aA BMF vom 04.04.2018, BStBl I 2018, 589).
Rn. 87
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Die Wirtschaftstätigkeit muss eine eigene Tätigkeit der zwischengeschalteten Körperschaft sein. Im Gegensatz zur Altregelung ist das Outsourcing von Tätigkeiten auf Dritte zwar kein gesetzlich vorgegebenes Negativkriterium mehr, die Grenzlinien sind allerdings im Einzelfall zu bestimmen.
Die Einschaltung von Fremdkräften für Routine- oder Hilfstätigkeiten ist jedenfalls unschädlich. Bei Einschaltung von Managementgesellschaften sollte die steuerliche Zurechnung ...