Rn. 76

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Wie bereits unter den Altfassungen des § 50d Abs 3 EStG werden in die Prüfung der hypothetischen Entlastungsberechtigung auch mittelbar beteiligte oder begünstigte Personen miteinbezogen (zB BFH vom 20.03.2002, BStBl II 2002, 819; BMF vom 24.01.2012, BStBl I 2012, 171 Tz 4.2; Krabbe, IStR 1995, 382; 1998, 76). Die Gleichstellung der mittelbaren Berechtigung ergibt sich genügend eindeutig aus dem Gesetzeszweck, weil andernfalls die Missbrauchsnorm ihrerseits allzu leicht umgangen werden könnte. Der Durchgriff auf mittelbar Berechtigte entspricht auch Sinn und Zweck der Norm, nur die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen zu sanktionieren, denn ein Missbrauch kann nur insoweit vorliegen, als durch die Zwischenschaltung einer Körperschaft eine Statusverbesserung im Vergleich zu einem fiktiven Direktbezug erreicht wird.

 

Rn. 77

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Der Einbezug mittelbar berechtigter Personen erfolgt grds durch eine zweistufige Prüfung:

  • Im ersten Schritt ist dem Grunde nach festzustellen, ob der jeweilige Berechtigte bei unmittelbarer Erzielung der Einkünfte fiktiv einen Entlastungsanspruch nach den §§ 43b, 50g, 44a Abs 9 EStG oder nach DBA geltend machen könnte. Nach hM ist hierbei vom Erfordernis eines identischen Rechtsgrundes für den Entlastungsanspruch auszugehen; ein betragsmäßig korrespondierender Entlastungsanspruch aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage ist nicht ausreichend (zB BT-Drs 19/27632, 58; Gosch in Kirchhof/Seer, § 50d EStG Rz 33h (22. Aufl 2023); Grotherr, DStR 2021, 1321(1326)).
  • Im zweiten Schritt hat dann eine Prüfung zu erfolgen, ob § 50d Abs 3 EStG diesem fiktiven Entlastungsanspruch entgegenstände. Dabei ist jeweils die sachliche Missbrauchskomponente sowie auch die Gegenbeweismöglichkeit des § 50d Abs 3 S 2 EStG einzubeziehen.

Ist eine Entlastungsberechtigung der mittelbar beteiligten oder begünstigten Person nicht gegeben, sind die entsprechenden Prüfungsschritte auf der nächsten Ebene mittelbar berechtigter Personen vorzunehmen.

 

Rn. 78

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Das Weitergehen in der Kette von beteiligten bzw begünstigten Personen erfolgt nicht unbegrenzt. Es wird in zwei verschiedenen Fällen abgebrochen.

  • Einmal endet die Untersuchung, und die Steuerentlastung wird versagt, sobald eine nachgeschaltete Körperschaft ohne Anrecht auf Steuerentlastung in ihrer Person nach der nämlichen Rechtsgrundlage im DBA oder nach den §§ 43b, 50g, 44a Abs 9 EStG erreicht ist (zu § 50d Abs 3 EStG aF s BFH vom 20.03.2002, BStBl II 2002, 819; Krabbe, IStR 1998, 76; BMF vom 24.01.2012, BStBl I 2012, 171 Tz 4.3 mit Bsp).
  • Andererseits endet die Untersuchung und ist die Steuerentlastung zu gewähren, sobald in der Körperschaftskette eine Person mit einem identischen Recht auf Steuerentlastung vorhanden ist. Diese muss sowohl persönlich entlastungsberechtigt sein als auch die weiteren Anforderungen des § 50d Abs 3 EStG erfüllen.
 

Rn. 79

Stand: EL 173 – ET: 06/2024

Die schrittweise Prüfung jeder nachfolgenden Ebene in der Kette nach oben bewirkt, dass einerseits bei Erreichen einer entlastungsberechtigten Person deren persönliche Entlastungsberechtigung anteilsmäßig ("soweit") zur persönlichen Entlastungsberechtigung der jeweils zwischengeschalteten Körperschaften führt; andererseits bei Erreichen einer nicht entlastungsberechtigen Person die Prüfung endet und deren Nichtberechtigung auch nicht auf einer höheren Ebene "geheilt" werden kann. Der Direktzugriff auf eine höhere Ebene in der Kette ist aufgrund der verschachtelten zweistufigen Prüfungsschritte grds nicht möglich.

 

Beispiel:

An einer inländischen GmbH ist eine ausländische Kapitalgesellschaft ForCo 1 zu 100 % beteiligt; an der ForCo 1 hält die ForCo 2 eine Beteiligung von 95 %, die ForCo 3 eine Beteiligung von 5 %. An ForCo 2 und ForCo 3 ist wiederum die börsennotierte ForCo 4 zu 100 % beteiligt. Alle ForCos sind KapGes und im EU-Ausland ansässig, jedoch nur ForCo 4 erfüllt die persönlichen Voraussetzungen für eine Entlastung von Quellensteuern auf Dividenden nach der Mutter/Tochter-Richtlinie und nach § 50d Abs 3 EStG.

Hinsichtlich der inländischen Quellensteuer auf Dividenden wäre ForCo1 zwar nach der Mutter/Tochter-Richtlinie zu einer vollständigen Befreiung berechtigt. Gelingt es der ForCo1 jedoch nicht, die Missbrauchsvermutung der § 50d Abs 3 EStG zu widerlegen, ist im nächsten Schritt zu prüfen, ob ForCo 2 hinsichtlich ihres 95 %-Anteils sowie ForCo 3 hinsichtlich ihres 5 %-Anteils bei einem fiktiven Direktbezug der Dividenden für eine Quellensteuerabsenkung nach der Mutter/Tochter-Richtlinie berechtigt wären.

ForCo 3 hat aufgrund ihrer Minderheitsbeteiligung keinen Anspruch auf Quellensteuerabsenkung nach der nämlichen Rechtsgrundlage, dadurch endet die Prüfung der hypothetischen Entlastungsberechtigung hinsichtlich ihres 5 %-Anteils auf dieser Ebene, die Quellensteuerabsenkung ist insoweit zu versagen.

Aufgrund der schrittweisen Vorgehensweise von unten nach oben ist die Prüfung der hypothe...

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