Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
A. Zweck der Vorschrift
Rn. 135
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Zielsetzung der Regelung ist die Sicherstellung des inländischen Besteuerungsrechts bei Vergütungen im Sinne von § 49 Abs 1 Nr 4 Buchst b EStG an Auslandsmitarbeiter, die aus mittelbar öffentlichen Kassen gezahlt werden, nachdem dieses aufgrund einer entgegenstehenden Auslegung der abkommensrechtlichen Kassenstaatsklauseln durch die Rspr gefährdet war. § 49 Abs 1 Nr 4 Buchst b EStG statuiert die beschränkte StPfl für Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit, die mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis aus inländischen öffentlichen Kassen gewährt werden. Seine Rechtfertigung findet dieser Besteuerungszugriff allein durch den Zahlungsvorgang zulasten der inländischen Volkswirtschaft (BFH vom 28.03.2018, I R 42/16, BFH/NV 2018, 1118 mwN). Soweit Vergütungen eines ArbN aus inländischen Haushaltsmitteln gezahlt werden und den inländischen öffentlichen Haushalt belasten, sollen diese auch dann der Besteuerung mit inländischer ESt unterliegen, wenn der ArbN im Ausland tätig wird und aufgrund dessen keinen inländischen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hat. In diesen Fällen ordnen die in den DBA vereinbarten Kassenstaatsklauseln (s Art 19 OECD-MA) das Besteuerungsrecht regelmäßig dem Kassenstaat, dh Deutschland, zu – sog Kassenstaatsprinzip.
§ 50d Abs 7 EStG soll gewährleisten, dass dieses Besteuerungsrecht auch dann erhalten bleibt, wenn zwar die Vergütung aus einer Kasse einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gezahlt wurde, aber kein unmittelbares Dienstverhältnis zum Träger der inländischen Kasse bestand. Nachdem der BFH entschieden hatte, dass nach dem Wortlaut der Kassenstaatsregelung in Art 19 Abs 1 OECD-MA für ein deutsches Besteuerungsrecht ein unmittelbares Dienstverhältnis zur auszahlenden juristischen Person bestehen müsse (BFH vom 31.07.1991, I R 47/90, BFHE 165, 392; BFH vom 13.08.1997, BStBl II 1998, 21; BFH vom 23.09.1998, BFH/NV 1999, 458), wurde die Regelung im Rahmen des JStG 1997 (BGBl I 1996, 2049) zur Sicherstellung der anderslautenden Verwaltungspraxis eingeführt. § 50d Abs 7 EStG ordnet für die Anwendung eines DBA die gesetzliche Fiktion eines unmittelbaren Dienstverhältnisses an.
Durch diese unilaterale Erweiterung des Kassenstaatsprinzips steht das Besteuerungsrecht zB für die aus öffentlichen Mitteln gezahlten Gehälter der im Ausland tätigen Mitarbeiter des Goethe-Instituts, des deutschen Akademischen Auslandsdienstes sowie der Auslandslehrer weiterhin ausschließlich Deutschland zu (BT-Drs 13/5952, 49f).
B. Anwendungsbereich
Rn. 136
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
In welchen Fällen § 50d Abs 7 EStG angewendet wird und eine abkommensüberschreibende Wirkung entfaltet, hängt aufgrund der uneinheitlichen Formulierungen der Kassenstaatsklauseln in erster Linie vom Wortlaut des jeweils einschlägigen DBA ab (für eine Übersicht zu den Abweichungen von Art 19 OECD-MA s zB Lampert in Schönfeld/Ditz, DBA (2. Aufl), Art 19 DBA Rz 56ff).
DBA, die ihrem Wortlaut nach Art 19 Abs 1 OECD-MA entsprechen, setzen für die Zuteilung des Besteuerungsrechtes zum Kassenstaat ein Dienstverhältnis zwischen dem Vergütungsempfänger und der auszahlenden juristischen Person des öffentlichen Rechts voraus. Der StPfl muss formell einen Vergütungsanspruch gegen den Kassenstaat haben, und der Kassenstaat muss materiell durch die Zahlung belastet sein, dh nicht nur als bloße Zahlstelle für einen Dritten fungieren (ausführlich hierzu s Dürrschmidt in Vogel/Lehner, DBA (6. Aufl.), Art 19 Rz 27–28; Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer, DBA (März 2019), Art 19 MA Rz 41). In diesen Fällen hat § 50d Abs 7 EStG eine konstitutive Wirkung und stellt somit ein Treaty override dar.
Ist nach dem Wortlaut des einschlägigen DBA das Vorliegen eines Dienstverhältnisses jedoch nicht erforderlich (zB Art 18 DBA-Spanien: BFH vom 13.08.1997, BStBl II 1998, 21; Art 16 Abs 3 DBA Jugoslawien: BFH vom 20.08.2008, BFH/NV 2009, 26), hat § 50d Abs 7 lediglich klarstellende Wirkung.
Ungeklärt ist vor dem Hintergrund der jüngeren Rspr des BFH, ob es zu einer Anwendung von § 50d Abs 7 EStG auch im Verhältnis zu speziell vereinbarten abkommensrechtlichen Erweiterungen des Kassenstaatsprinzips, zB sog Entwicklungshelferklauseln, kommt (für eine Übersicht s Dürrschmidt in Vogel/Lehner, DBA (6. Aufl.), Art 19 Rz 36). In BFH vom 28.03.2018, I R 42/16, BFH/NV 2018, 1118 geht der BFH davon aus, dass eine Anwendung von § 50d Abs 7 EStG auch im Hinblick auf die Entwicklungshelferklausel in Art 18 DBA Kenia (iVm Nr 5 des hierzu ergangenen Protokolls) möglich ist, soweit konkret auf ein Projekt bezogene Vergütungen vorliegen, die zumindest teilweise aus inländischen Kassen finanziert werden. Projektbezogene Vergütungen, die ausschließlich durch ausländische Mittel finanziert werden, sollen nicht in den Anwendungsbereich von § 50d Abs 7 EStG fallen.
Legt man die vom BVerfG (BVerfG vom 15.12.2015, 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1) bei einem Treaty override durch § 50d Abs 8 EStG postulierte Lex-posterior-/lex-specialis-Regel zugrunde...