Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
Rn. 136
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
In welchen Fällen § 50d Abs 7 EStG angewendet wird und eine abkommensüberschreibende Wirkung entfaltet, hängt aufgrund der uneinheitlichen Formulierungen der Kassenstaatsklauseln in erster Linie vom Wortlaut des jeweils einschlägigen DBA ab (für eine Übersicht zu den Abweichungen von Art 19 OECD-MA s zB Lampert in Schönfeld/Ditz, DBA (2. Aufl), Art 19 DBA Rz 56ff).
DBA, die ihrem Wortlaut nach Art 19 Abs 1 OECD-MA entsprechen, setzen für die Zuteilung des Besteuerungsrechtes zum Kassenstaat ein Dienstverhältnis zwischen dem Vergütungsempfänger und der auszahlenden juristischen Person des öffentlichen Rechts voraus. Der StPfl muss formell einen Vergütungsanspruch gegen den Kassenstaat haben, und der Kassenstaat muss materiell durch die Zahlung belastet sein, dh nicht nur als bloße Zahlstelle für einen Dritten fungieren (ausführlich hierzu s Dürrschmidt in Vogel/Lehner, DBA (6. Aufl.), Art 19 Rz 27–28; Wassermeyer/Drüen in Wassermeyer, DBA (März 2019), Art 19 MA Rz 41). In diesen Fällen hat § 50d Abs 7 EStG eine konstitutive Wirkung und stellt somit ein Treaty override dar.
Ist nach dem Wortlaut des einschlägigen DBA das Vorliegen eines Dienstverhältnisses jedoch nicht erforderlich (zB Art 18 DBA-Spanien: BFH vom 13.08.1997, BStBl II 1998, 21; Art 16 Abs 3 DBA Jugoslawien: BFH vom 20.08.2008, BFH/NV 2009, 26), hat § 50d Abs 7 lediglich klarstellende Wirkung.
Ungeklärt ist vor dem Hintergrund der jüngeren Rspr des BFH, ob es zu einer Anwendung von § 50d Abs 7 EStG auch im Verhältnis zu speziell vereinbarten abkommensrechtlichen Erweiterungen des Kassenstaatsprinzips, zB sog Entwicklungshelferklauseln, kommt (für eine Übersicht s Dürrschmidt in Vogel/Lehner, DBA (6. Aufl.), Art 19 Rz 36). In BFH vom 28.03.2018, I R 42/16, BFH/NV 2018, 1118 geht der BFH davon aus, dass eine Anwendung von § 50d Abs 7 EStG auch im Hinblick auf die Entwicklungshelferklausel in Art 18 DBA Kenia (iVm Nr 5 des hierzu ergangenen Protokolls) möglich ist, soweit konkret auf ein Projekt bezogene Vergütungen vorliegen, die zumindest teilweise aus inländischen Kassen finanziert werden. Projektbezogene Vergütungen, die ausschließlich durch ausländische Mittel finanziert werden, sollen nicht in den Anwendungsbereich von § 50d Abs 7 EStG fallen.
Legt man die vom BVerfG (BVerfG vom 15.12.2015, 2 BvL 1/12, BVerfGE 141, 1) bei einem Treaty override durch § 50d Abs 8 EStG postulierte Lex-posterior-/lex-specialis-Regel zugrunde, ist uE eine unilaterale Erweiterung des inländischen Besteuerungsrechts hier grundsätzlich ausgeschlossen (s FG Hessen vom 25.04.2018, 9 K 1757/16, EFG 2018, 1717 mit Anm Wackerbeck (Urt des FG aufgehoben durch Rev BFH vom 08.09.2021, I R 17/18, BFH/NV 2022, 372); ablehnend ebenso Gosch in Kirchhof, § 50d EStG Rz 34 (18. Aufl); Danz/Reichenberger, ISR 2019, 96; aA wohl Kempermann, FR 2018, 971).
Darüber hinaus spricht vieles dafür, dass sich der Begriff der Vergütungen in § 50d Abs 7 EStG auf die gesamte Vergütung des ArbN beziehen soll und nicht projektbezogen aufzuteilen ist (so auch Danz/Reichenberger, ISR 2019, 99; Lamprecht/Bischof, ISR 2018, 385).