Dr. Barbara Zuber, Stefan Ditsch
A. Zielsetzung der Regelung
Rn. 245
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Zielsetzung der Regelung ist die Sicherstellung des inländischen Besteuerungsrechts bei sonstigen Bezügen, die an Stelle von Dividenden an einen im Ausland ansässigen Erwerber von Aktien einer Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland gezahlt werden (BT-Drs 19/14909, 46). Eingefügt wurde die Vorschrift durch das JStG 2019 (Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019, BGBl I 2019, 2451) zusammen mit einer Erweiterung des § 49 Abs 1 Nr 5 EStG, die in einem neu eingefügten Buchst bb eine beschränkte Steuerpflicht ausländischer Empfänger von Dividendenkompensationszahlungen iSd § 20 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG vorsieht.
Beide Regelungen waren im Regierungsentwurf (BT-Drs 19/13436) noch nicht enthalten und wurden ohne Diskussion im Vorfeld ins Gesetz übernommen. Sie sollen Besteuerungslücken schließen, die bei Cum/Ex-Geschäften um den Ausschüttungsstichtag insb dann existierten, wenn der Empfänger der Kompensationszahlung im Ausland ansässig war und den Schutz eines DBA in Anspruch nehmen konnte. § 50d Abs 13 EStG legt für diese Fälle fest, dass entsprechende Kompensationsleistungen für Zwecke der Abkommensanwendung den von der Gesellschaft gezahlten Dividenden gleichgestellt werden.
B. Anwendungsbereich
Rn. 246
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Unter Cum/Ex-Geschäften werden Aktientransaktionen verstanden, bei denen die schuldrechtliche Übertragung von Aktien mit Dividendenanspruch ("cum") vor dem Dividendenstichtag und die dingliche Lieferung nach dem Dividendenstichtag ohne Dividendenanspruch ("ex") erfolgt. In der Vergangenheit konnte bei entsprechender Gestaltung die Bescheinigung und Anrechnung von KapSt erreicht werden, die tatsächlich nicht angefallen war. Dies gelang insb bei Cum/Ex-Geschäften in Form von Leerverkäufen, bei denen der Aktienverkäufer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Aktien noch nicht in seinem Bestand hatte und diese erst nach dem Dividendenstichtag ex Dividende beschaffen konnte. Zum Dividendenstichtag gehörten die Aktie einem Dritten, dem die Dividende steuerlich zuzurechnen war. Nach den börsenüblichen Abwicklungsgepflogenheiten erhielt in diesen Fällen nicht nur Anteilsinhaber der Aktien eine zur Anrechnung von KapSt berechtigende Bescheinigung, sondern auch der Leerkäufer, dem aufgrund seines Aktienkaufs "cum Dividende" eine Dividendenersatzzahlung zustand.
KapSt war auf die Dividendenersatzleistung allerdings erst ab 2007 mit Einführung der Regelungen des § 20 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG iVm den §§ 43ff EStG einzubehalten und dann auch nur, wenn die Transaktion über eine inländische auszahlende Stelle abgewickelt wurde (dazu s § 20 Rn 444 (Möllenbeck). Durch die Einschaltung ausländischer Depotbanken in die Durchführung der Cum/Ex-Geschäfte entging dem deutschen Fiskus in der Folge noch bis zur Einführung einer endgültigen Lösung ab 2012 durch das OGAW-IV-UmsetzungsG (BGBl I 2011, 1126) Steuersubstrat in Milliardenhöhe. Die Aufarbeitung der Fälle aus steuerlicher und strafrechtlicher Sicht ist derzeit in vollem Gange (s mit einer detaillierten Darstellung der Transaktionen und mwN statt vieler Spengel, FR 2017, 545; Spilker, FR 2017, 138; Rau, DStR 2017, 1852; Schön, RdF 2015, 115).
Rn. 247
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Dennoch war auch danach der angestrebte Gleichlauf der Besteuerung von Dividenden und Dividendenkompensationsleistungen aus Cum/Ex-Geschäften nicht gewährleistet, wenn der Empfänger der Ersatzleistung im DBA-Ausland ansässig war. Erhält bspw eine in einem DBA-Staat ansässige Bank von einem inländischen Broker aufgrund eines Cum/Ex-Geschäftes eine Dividendenkompensation, hat Deutschland nur dann ein Besteuerungsrecht, wenn die Leistung unter die Dividendendefinition des Abkommens (Art 10 Abs 3 OECD-MA) subsumiert werden kann. Ist dies nicht der Fall, liegen abkommensrechtlich sonstige Einkünfte (Art 21 OECD-MA) vor, die nur im Ansässigkeitsstaat des ausländischen Empfängers besteuert werden können. Eine auf die Dividendenkompensation im Inland einbehaltene KapSt müsste dann an die Bank erstattet werden.
Rn. 248
Stand: EL 173 – ET: 06/2024
Entscheidend für die steuerliche Erfassung im Inland wäre in der obigen Situation daher die jeweilige Definition im Dividendenartikel des Abkommens, die im Einzelfall sehr unterschiedlich gefasst sein kann. Nach Art 10 Abs 3 OECD-MA ist für die Einordnung als Dividenden im Abkommenssinne erforderlich, dass es sich bei den Zahlungen um "aus sonstigen Gesellschaftsanteilen stammende Einkünfte" handelt, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. Zwar werden Dividendenersatzleistungen nach § 20 Abs 1 Nr 1 S 4 EStG den sonstigen Bezügen aus Aktien iSd § 20 Abs 1 Nr 1 S 1 EStG gleichgestellt. Dieser sonstige Bezug stellt jedoch einen eigenen Einkunftstatbestand dar, der nicht aus einer Beteiligung oder einem sonstigen Recht an der ausschüttenden Gesellscha...