Rn. 1
Stand: EL 153 – ET: 10/2021
Der § 50j EStG ist eine Maßnahme des Gesetzgebers iRd so genannten BEPS-Initiative (Base Erosion and Profit Shifting); vgl Blumenberg/Kring, BB 2017, 151. Bereits im Jahre 2013 hatten die G20-Finanzminister und -Notenbankgouverneure den Aktionsplan gegen Gewinnkürzungen und Gewinnverlagerungen multinational tätiger Unternehmen (BEPS) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verabschiedet. Das Ziel dieser Initiative besteht darin, entsprechende Rahmenbedingungen für leistungsgerechte und faire Besteuerungssysteme zu setzen und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der Staaten sicherzustellen, vgl Monatsbericht des BMF September 2013, 6–9 (https://www.bundesfinanzministerium.de): Initiative für fairen internationalen Steuerwettbewerb.
Der Aktionsplan sieht unter der Nr 6 die Verhinderung einer unrechtmäßigen Inanspruchnahme von DBA-Vorteilen vor. Mit der Vorschrift des § 50j EStG soll durch Überschreiben der DBA-Regelungen (zur wiederholten Kritik an dieser Vorgehensweise vgl Gosch in Kirchhof, § 50j EStG Rz 1) Gestaltungen entgegengewirkt werden, die einem im Inland oder Ausland ansässigen Empfänger einer aus Deutschland fließenden Dividende einen niedrigeren DBA-Quellensteuersatz verschaffen, auf den er ohne diese Gestaltung keinen Anspruch hätte; BT-Drucks 18/10506 v 30.11.2016, Besonderer Teil zu Art 8 Nr 12, 78. Dabei orientiert sich der Gesetzgeber so weit wie möglich an der Regelung des § 36a EStG. Die Vorschrift des § 50j EStG ist allerdings nicht von der Bundesregierung vorgeschlagen worden, sondern fand als flankierende Maßnahme zu § 36a EStG (Blumenberg/Kring, BB 2017, 151 Abs V 3) erst mit der Beschlussempfehlung des Bundestags-Finanzausschusses Eingang in das Gesetzgebungsverfahren; BT-Drucks 18/10506 v 30.11.2016, 78. Gegen die Vorschrift wird – allerdings eher kursorisch – angeführt, dass sie über die Vermeidung von Cum/Cum-Gestaltungen hinaus in bedenklicher Weise übliche Leihgeschäfte und Kapitalanlageentscheidungen begrenze (Florstedt, DStR 2020, 2399 [2401]).
Abs 1 des § 50j EStG erweitert die Voraussetzungen für die vollständige oder teilweise Erstattung gemäß § 50d Abs 1 EStG bei KapErtr nach § 43 Abs 1 S 1 Nr 1a EStG, wenn diese wegen eines DBA entweder nicht oder mit einem geringeren Steuersatz als nach § 43a Abs 1 S 1 EStG zu belasten wären; Levedag in Schmidt, § 50j EStG Rz 2. Die DBA-Begünstigung greift jedoch nur, wenn zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sind. Diese sind
- eine Mindesthaltedauer, während der ununterbrochen das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen oder Genussscheinen bestehen muss,
- das während der Mindesthaltedauer durchgehend zu tragende Mindest-Wertänderungsrisiko, und
- der wirtschaftliche Eigentümer muss frei sein von jeglicher Verpflichtung, die KapErtr ganz oder überwiegend jemand anderem zu vergüten.
Der S 2 des Abs 1 erstreckt den Regelungsbereich wie in § 36a Abs 1 S 4 EStG auf Anteile und Genussscheine, die am Schuldner der KapErtr orientiert zu inländischen KapErtr führen und im Ausland bei einer Wertpapiersammelbank verwahrt werden. Fälle der Freistellung werden nicht erfasst; Anemüller in Kanzler/Kraft/Bäuml, § 50j EStG Rz 23; Gosch in Kirchhof, § 50j EStG Rz 2.
- Abs 2 regelt die Mindesthaltedauer und die Anwendung der Fifo-Methode gleichlautend mit § 36a EStG.
- Abs 3 definiert das Mindestwertänderungsrisiko für den Gläubiger der KapErtr.
- Abs 4 begrenzt die Anwendung der Abs 1–3 der Vorschrift auf definierte Fallgestaltungen.
- Abs 5 verweist darauf, dass DBA-Bestimmungen, die Vorschrift des § 42 AO zum Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten und andere steuerliche Vorschriften unberührt bleiben, soweit sie in ihrer einschränkenden Wirkung über die Regelungen der vorstehenden Absätze des § 50j EStG hinausgehen.
Anwendbar ist die Vorschrift jedoch erst für KapErtr, die ab dem 01.01.2017 zufließen (Art 19 Abs 2 des Gesetzes zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen v 20.12.2016, BGBl I 2016, 3000, 3015). Etwaige Rückwirkungsproblematiken für den Fall eines Erstattungsantrages in 2017 für vorher in 2016 einbehaltene KapSt (vgl Gosch in Kirchhof, § 50j EStG Rz 1c) haben sich wegen der 4-Jahres-Frist des § 50d Abs 1 S 9 EStG inzwischen erledigt.
§ 50j EStG wurde durch Art 1 Nr 19 des Gesetzes zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der KapSt (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz –AbzStEntModG) v 02.06.2021, BGBl I 2021, 1259 an zwei Stellen angepasst: