Rn. 1
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
§ 55 EStG wurde durch Art 1 Nr 12 des Zweiten StÄndG 1971 in das G eingefügt. Die Regelung war erforderlich geworden, nachdem das BVerfG am 11.05.1970, BStBl II 1970, 579 die vormalige unterschiedslose Privilegierung der LuF bei der steuerlichen Erfassung der Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden für mit dem Gleichheitssatz des Art 3 GG unvereinbar erklärt hatte. In Umsetzung der BVerfGE vom 11.05.1970, aaO, wurde § 4 Abs 1 S 5 EStG 1969, welcher die Wertveränderungen von betrieblichem Grund und Boden bei StPfl, die ihren Gewinn nach § 4 Abs 1 bzw 3 EStG ermittelten, unberücksichtigt ließ, außer Kraft gesetzt (§ 52 Abs 3 EStG 1971). Gleichzeitig wurde ein neuer § 14a EStG in das Gesetz eingefügt (zwischenzeitlich aber bereits wieder ausgelaufen); danach war durch die Gewährung von Freibeträgen die Veräußerung/Aufgabe eines luf Betriebs im Ganzen sowie die Veräußerung/Entnahme von Grundstücken zur Abfindung weichender Erben begünstigt. In § 6b EStG wurde der Katalog der begünstigten Reinvestitionsobjekte insoweit erweitert, als danach ein Gewinn aus der Veräußerung von Grund und Boden übertragen werden kann auf Aufwuchs; § 6c EStG wurde ebenfalls geändert: danach können Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden einer Rücklage gem § 6c EStG zugeführt werden. Schlussendlich wurden auch die Freibetragsgrenzen in § 16 Abs 4 EStG erhöht, um die Einbeziehung von Grund und Boden in die Gewinnermittlung gem § 4 Abs 3 EStG zu kompensieren.
Darüber hinaus wurde in § 69 BewG ein neuer Abs 4 eingefügt, wonach die Schutzvorschrift des § 69 Abs 2 BewG nicht gelten sollte für Grund und Boden, für den ein höherer Teilwert gem § 55 Abs 5 S 1 EStG festgestellt worden ist (zu den bewertungsrechtlichen Einzelheiten s Rn 96).
Mit EGAO 1977 vom 14.12.1976, BStBl I 1976, 694 erfolgte in § 55 Abs 5 S 5 EStG eine (redaktionelle) Anpassung an die AO 1977.
Knapp 30 Jahre nach ihrer Einführung wurde die Vorschrift im Rahmen des StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.03.1999, BStBl I 1999, 304 als Reaktion auf die Rspr des BFH (BFH vom 05.03.1998, BStBl II 2003, 54 und BFH vom 05.03.1998, BStBl II 2003, 56) zur Anwendung der Verlustausschlussklausel bei Abspaltung immaterieller WG vom Grund und Boden (Milchreferenzmenge) erneut geändert. In § 55 Abs 1 EStG wurde ein S 2 eingefügt und gleichzeitig wurde Abs 6 EStG geändert: Die Gesetzesänderung sollte die Rechtslage vor Ergehen der BFH-Entscheidungen vom 05.03.1998 wieder herstellen, indem geregelt wurde, dass von der Vorschrift nur der "nackte" Grund und Boden betroffen sei und nicht etwa sonstige damit zusammenhängende Nutzungsbefugnisse (insb die Milchreferenzmenge). Die Umsetzung des gesetzgeberischen Willens ist jedoch am Widerstand des BFH gescheitert (s Rn 50ff). Ein weiterer Vorstoß des BR (BT-Drs 14/1655), die BFH-Rspr durch erneute Änderung des § 55 EStG zu Fall zu bringen, wurde von der BReg dann nicht mehr weiterverfolgt.
Durch das StEuglG vom 19.12.2000, BStBl I 2001, 3 wurden die DM-Beträge mit Wirkung ab VZ 2002 auf Euro-Beträge umgestellt (s Rn 6).
In § 55 Abs 2 S 2 Nr 1 S 1 EStG erfolgte durch das JStG 2008 eine redaktionelle Anpassung; diese hatte ihre Ursache in der Neufassung des BodenschätzungsG, in dessen § 9 die Regelung zur Ermittlung der für steuerliche Zwecke maßgeblichen Ertragsmesszahlen (EMZ) erstmals gesetzlich verankert wurde. Eine materiell-rechtliche Änderung war damit nicht verbunden.
Rn. 2
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Für die nach Maßgabe des § 52 Abs 5 EStG 1971 stpfl werdenden Vorgänge der Veräußerung und Entnahme von zum AV gehörenden Grund und Boden mussten Einsatzwerte bestimmt werden, um den Gewinn aus diesen Vorgängen ermitteln zu können. Nach allg Grundsätzen hätten sich, da § 4 Abs 1 S 5 EStG 1969 zu den in § 52 Abs 5 EStG 1971 genannten Zeitpunkten weggefallen ist, die historischen AK als maßgebliche Einsatzwerte für den zum BV gehörenden Grund und Boden angeboten. Die Verwirklichung dieses Prinzips schien dem Gesetzgeber aber aus praktischen Erwägungen und aus Vertrauensschutzgründen heraus nicht durchführbar bzw sachgerecht.
Rn. 3
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Aus dem Umstand, dass der Grund und Boden gem § 12 Nr 13 EStG 1920, §§ 12 Abs 1 S 2, 41, 42 Abs 1 S 2 Nr 1a EStG 1925 sowie § 4 Abs 1 S 5 EStG 1969 bis einschließlich 30.06.1970 bzw 14.08.1971 bei der Gewinnermittlung außer Betracht blieb, folgt jedoch nicht, dass diese Flächen vordem PV gewesen wären. Wäre diese Annahme zutreffend, so hätten die einem luf, gewerblichen oder einem freien Beruf dienenden Flächen bei Einführung der Bodengewinnbesteuerung nur im Wege einer Einlage zum Teilwert BV werden können. Wie sich jedoch § 55 Abs 1 EStG entnehmen lässt, war dies deshalb nicht erforderlich, weil betrieblich genutzter Grund und Boden ungeachtet der Befreiungsvorschrift des § 4 Abs 1 S 5 EStG 1969 (und seiner gleichlautenden Vorgängervorschriften) auch schon vor dem 01.07.1970 bzw 15.08.1971 zum betrieblichen AV gehörte (RFH vom 26.07.1933, RStBl 1933, 1144;...