1. "Nackter" Grund und Boden
Rn. 50
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Der ertragsteuerliche Begriff "Grund und Boden" ist enger als der zivilrechtliche Begriff des Grundstücks. Ein Grundstück im bürgerlich-rechtlichen Sinne kann einkommensteuerlich aus mehreren WG bestehen, nämlich aus dem Grund und Boden einerseits und anderen selbstständigen WG andererseits (BFH vom 24.08.1989, BStBl II 1989, 1016).
Rn. 51
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Demzufolge bezieht sich sowohl der doppelte Ausgangsbetrag nach § 55 Abs 1 EStG als auch der nach § 55 Abs 5 EStG festzustellende höhere Teilwert nur auf den nackten Grund und Boden und nicht auch auf andere selbstständige und damit bilanzierungsfähige materielle wie immaterielle WG, wie zB
- die Milchquote (BFH vom 24.08.1993, BFH/NV 1994, 172; BFH vom 17.03.1994, BStBl II 1994, 538),
- an den Betrieb gebundene Zuckerrübenlieferrechte (BFH vom 24.06.1999, BStBl II 2003, 58),
- grundstücksgleiche Rechte sowie Rechte, den Grund und Boden zu nutzen (wie zB ein Thermalwasserbezugsrecht, BFH vom 24.08.1989, BStBl II 1989, 1016),
- in den Verkehr gebrachte und damit als WG entstandene Bodenschätze (ausführlich dazu s § 13 Rn 55b),
- Eigenjagdrechte (BMF vom 23.06.1999, BStBl I 1999, 593), Weinanbaurechte, sog Ökopunkte (s Rn 120); Zahlungsansprüche nach der sog GAP-Reform (BMF vom 25.06.2008, BStBl I 2008, 682),
- Hohlräume, die durch Aussolung eines Salzstocks gewonnen werden (BFH vom 11.03.1976, BStBl II 1976, 535 und BFH vom 14.10.1982, BStBl II 1983, 203) sowie
- Aufwuchs (stehende Ernte, Feldinventar, aufstehendes Holz, Obst- und Baumschulanlagen, Korbweidenkulturen, Reb- sowie Spargelanlagen) und
- Anlagen im oder auf dem Grund und Boden (Gebäude sowie Betriebsvorrichtungen, wie zB Be- und Entwässerungsanlagen; im Einzelnen auch s Rn 32);
- auch auf einen Genossenschaftsanteil kann § 55 Abs 5 EStG – auch nicht analog – angewandt werden (BFH vom 01.10.1981, BStBl II 1982, 250).
Rn. 52
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Dagegen gehört zum Grund und Boden
- die Grasnarbe bei Weideland (BFH vom 16.12.1984, BStBl II 1984, 424) sowie
- die sog "Geil und Gare", weil es sich bei Letzterer nicht um ein eigenständiges WG, sondern nur um ein Beschaffenheitsmerkmal des Grund und Bodens handelt (BFH vom 20.05.1965, BStBl III 1965, 446); dies gilt entsprechend auf für die sog Ackerprämienberechtigung (BFH vom 30.09.2010, BStBl II 2011, 406).
- Auch das Recht, ein Grundstück mit Klärschlamm zu verfüllen, ist kein vom Grund und Boden verselbstständigtes WG (BFH vom 20.03.2003, BStBl II 2003, 878).
2. Mit dem luf Grund und Boden verbundene Nutzungsmöglichkeiten
a) Allgemeines
Rn. 53
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Nach allg Definition besteht die LuF in der planmäßigen Nutzung der natürlichen Kräfte des Grund und Bodens zur Erzeugung von Pflanzen und Tieren sowie in der Verwertung der so gewonnenen Erzeugnisse (R 15.5 Abs 1 S 1 EStR 2012). Alle damit einhergehenden Nutzungsmöglichkeiten sind untrennbar mit dem Boden verbunden. Sie sind grundsätzlich (als unselbstständiger und damit nicht gesondert bewertungsfähiger Teil) im Grund und Boden mit enthalten und bestimmen maßgeblich den Wert desselben (Riegler, DStZ 2003, 685).
b) Zu einem WG verselbstständigte Nutzungsmöglichkeiten
Rn. 54
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Bislang mit dem Grund und Boden verbundene Nutzungsmöglichkeiten können jedoch durch administrative Maßnahmen, insb durch Produktionsbeschränkungen (entweder durch Einschränkung der Verwertungsmöglichkeit der erzeugten Produkte oder durch Maßnahmen zur Beschränkung der Bodennutzung), zu einem selbstständigen (regelmäßig immateriellen) WG befördert werden. Solche administrative Maßnahmen sind insb mit der Einschränkung der Milcherzeugung durch die Einführung der Milchgarantiemengen-VO vom 02.04.1984, BGBl I 1984, 720 sowie der Zuckermarktordnung vom 18.12.1967, ABl EG Nr B 308 S 1 erfolgt. Auch eine Einschränkung der Wiederbepflanzung von gerodeten Flächen im Weinbau (VO EWG Nr 454/80 zur Änderung der VO EWG 338/79 vom 18.02.1980, ABl EG Nr L 57 S 7) führt zum Entstehen eines neuen immateriellen WG "Bepflanzungsrecht". Entsprechendes gilt auch für die mit VO (EG) Nr 1782/2003 des Rates vom 29.09.2003 beschlossenen und mit Wirkung ab 01.01.2005 in nationales Recht (BetriebsprämiendurchführungsG vom 21.07.2004, BGBl I 2004, 1763 sowie DirektzahlungsverpflichtungsG vom 21.07.2004, BGBl I 2004, 1767) umgesetzten Zahlungsansprüche.
3. Ertragsteuerliche Folgerungen aus der Verselbstständigung
a) Entstehen eines neuen WG
Rn. 55
Stand: EL 174 – ET: 08/2024
Mit Einführung der Milchquotenregelung mit Wirkung vom 02.04.1984 entstand ein selbstständiges immaterielles WG des AV, nämlich das Milchlieferrecht (BFH vom 24.08.1993, BFH/NV 1994, 172; BFH vom 17.03.1994, BStBl II 1994, 538; BFH vom 05.03.1998, BStBl II 2003, 54). Entsprechendes gilt für ein an den Betrieb (aktiengebundenes) bzw an den Grund und Boden gebundenes Zuckerrübenlieferrecht (ländereinheitlicher Erlass des FM Nds vom 18.12.1989, S 2230–156–31 1, ESt-Kartei Nds, § 13, Nr 1.32; BFH vom 24.06.1999, BStBl II 2003, 58; BFH vom 16.10.2008, BStBl II 2010, 28 unter II.16.).
Wurden die Lieferrechte durch hoheitliche Maßnahmen zugeteilt, wie dies zB bei der Milch durch die mit Wirkung vom 02.04.1984 geltende Milchgarantiemengen-VO der F...