Jürgen Dräger, Tobias Müller
Schrifttum:
Wendt, Übertragung von WG zwischen Mitunternehmerschaft und Mitunternehmer, FR 2002, 53;
Wendt, Keine Übertragung von WG zwischen Schwester-PersGes ohne Aufdeckung stiller Reserven?, FR 2010, 386;
Pyszka, Atypische stille Beteiligung an einzelnen Unternehmenssegmenten, DStR 2003, 857;
Dräger/Dorn, Quo vadis Trennungstheorie? Kein Ende des Meinungsstreits in Sicht, nwb 2019, 17.
a) Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften
Rn. 1720
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die Übertragung von einzelnen WG zwischen beteiligungsidentischen PersGes ist nicht ausdrücklich in § 6 Abs 5 S 3 EStG geregelt. Sie erfüllt keinen der in den Nr 1–3 genannten Übertragungstatbestände. Eine entsprechende Regelung war im Bericht des BMF als Grundlage zum UntStFG enthalten, ist jedoch im Gesetz nicht berücksichtigt worden. Ein naheliegender Schluss ist der, dass der Gesetzgeber diesen Fall gerade nicht iSd Buchwertübertragung regeln wollte (ähnlich Strahl, KÖSDI 2002, 13 164, 13 169).
Da diese Übertragungen jedoch mit den in den Nr 1–3 aufgeführten Übertragungen wirtschaftlich vergleichbar sind, wird in der Literatur argumentiert, § 6 Abs 5 S 3 EStG auf diese analogen Vorgänge anzuwenden, Als Begründung wird angeführt, dass die stillen Reserven bei den gleichen Steuersubjekten verhaftet bleiben (Kloster/Kloster, GmbHR 2002, 717, 725; Niehus, FR 2005, 278). Der BFH v 25.11.2009, I R 72/08, BStBl II 2010, 471 ist dieser Auffassung jedoch nicht gefolgt und hat eine Aufdeckung stiller Reserven gefordert, weil § 6 Abs 5 S 3 EStG für diese Fälle gerade keine Buchwertfortführung vorschreibt.
Gegen diese Entscheidung regten sich Stimmen aus dem sonst für diese Rechtsprobleme zuständigen IV. BFH-Senat durch Wendt, FR 2010, 386, 387:
- Das Gesetz verbietet dem Wortlaut nach nicht die Buchwertfortführung.
- Das zu beachtende Transparenzprinzip geht vom Subjekt der Besteuerung in Gestalt des Gesellschafters aus, bei dem die stillen Reserven des Transferobjektes erhalten bleiben.
- Weil iRd § 6 Abs 5 S 3 EStG sogar intersubjektiv stille Reserven verschoben werden können, müsse dies nach dem verfassungsrechtlich gebotenen Folgerichtigkeitsgebot auch bei einem Transfer zwischen beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften möglich sein.
Mit Beschluss v 18.03.2010 hat sich der IV. BFH-Senat in einem Aussetzungsverfahren (BFH v 18.03.2010, IV B 105/09, BStBl II 2010, 971) gegen die Entscheidung des I. Senats gewandt, weil er es als ernstlich zweifelhaft ansieht, dass die Übertragung eines WG des Gesamthandsvermögens einer PersGes auf eine beteiligungsidentische Schwester-PersGes zur Aufdeckung stiller Reserven führt. Da eine Divergenzanrufung des GrS im Aussetzungsverfahren nicht möglich ist, bleibt die Rechtslage insoweit in der Schwebe.
Einen Schwenk in seiner Rechtsauffassung hat der I. BFH-Senat mit seinem Vorlagebeschluss BFH v 10.04.2013, I R 80/12, BFH/NV 2013, 1834 an das BVerfG zur Normenkontrolle vollzogen: Er erachtet das Gleichheitsgebot verletzt, sieht sich jedoch an einer Abweichung vom Gesetzeswortlaut gehindert. Auf den Vorlagebeschluss erging der Beschluss des BVerfG v 28.11.2023, 2 BvL 8/13, DStR 2024, 155. Dieses entschied, dass § 6 Abs 5 S 3 EStG gegen Art 3 Abs 1 GG verstoße, soweit danach eine Übertragung von WG zwischen beteiligungsidentischen PersGes nicht zum Buchwert möglich ist. Für diese Ungleichbehandlung gegenüber WG-Tansfers zwischen verschiedenen BV desselben StPfl seien keine sachlich einleuchtenden Gründe erkennbar. Weder soll liege eine gesteigerte Leistungsfähigkeit vorliegen, die den Steuerzugriff rechtfertigen kann, noch bilde das Vorliegen eines zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsels einen tauglichen Rechtfertigungsgrund. Auch der Zusammenschluss mehrerer StPfl zu einer Mitunternehmerschaft rechtfertige keine Ungleichbehandlung. Ebenso wenig soll die Ungleichbehandlung unter dem Aspekt der Verhinderung missbräuchlicher Gestaltungen zulässig sein. Bei der Gegenfinanzierung anderweitiger Maßnahmen handele es sich um einen reinen Fiskalzweck, der für sich genommen nicht geeignet sei, die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Der Gesetzgeber ist nun verpflichtet, rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 (der 23-jährige Rückwirkungszeitraum ist der langen Verfahrensdauer geschuldet) eine Neuregelung zu treffen. Nach Entscheidung des BVerfG wird das bislang unter Az I R 80/12 beim BFH geführte Verfahren nun unter dem Az I R 4/24 fortgeführt.
Im Zuge des JStG 2024 soll eine Anpassung der derzeitigen Regelung erfolgen. Vorgesehen ist, dass die bisherige Regelung des § 6 Abs 5 S 3 EStG um eine weitere Nr 4 ergänzt wird. Danach soll ein Buchwertansatz auch möglich sein, wenn ein WG "unentgeltlich zwischen den Gesamthandsvermögen verschiedener Mitunternehmerschaften derselben, identisch beteiligten Mitunternehmer" übertragen wird. Diese Regelung soll auf alle offenen Fälle zur Anwendung kommen. Jedoch soll es für alle Sachverhalte, die bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des BVerfG verwirklicht wurden, möglich sein, auf die Neuregelung zu verzichten. Voraussetzung ist...