Jürgen Dräger, Tobias Müller
aa) Entstehungsgeschichte, Definition, Regelungsbereiche
Rn. 255
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die HK stellen vergleichbar den AK eine wesentliche Ausgangsgröße für die bilanzrechtliche Bewertung von WG dar (s Rn 36 und 145). In § 6 Abs 1 EStG werden explizit die WG des AV (Nr 1) sowie Grund und Boden, Beteiligungen, UV (Nr 2) als Bewertungssubstrat erwähnt. Nr 3 erklärt diese Bewertungsgrößen (AK und HK) durch Verweis auch für Verbindlichkeiten als anwendbar. Zur Kürzung der HK als Ausgangsgröße der AfA nach § 7 EStG durch die Übertragung stiller Reserven s Rn 181.
Rn. 256
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Gleichwohl enthält das EStG keine Definition der HK. Dies beruht auf dem traditionellen deutschen Bilanzrechtsverständnis der Einheit von handels- und steuerrechtlicher Bilanzierung. "Maßgeblich" ist entsprechend für die Anwendung in der StB die Definition der HK in § 255 Abs 2 HGB (s §§ 4, 5 Rn 336 (Hoffmann)). Das Steuerrecht hat kein Problem damit, diese Definitionsnorm unverändert v Handelsrecht zu übernehmen (zB s BFH v 04.07.1990, GrS 1/89,BStBl 1990, 830 Rz 41), und zwar nicht nur für die steuerliche Gewinnermittlung, sondern auch für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA bei den Überschusseinkünften (s Rn 286).
Rn. 257
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Diese – der Verwendung der AK-Definition des § 255 Abs 1 HGB vergleichbare – Rechtsdogmatik (s Rn 150) iS einer nahtlosen Verzahnung handels- und steuerrechtlicher Rechnungslegungsgrundlagen zeigt sich besonders deutlich in der Entstehungsgeschichte der 4. EG-Richtlinie. Diese ist maßgeblich beeinflusst von deutschen Bilanzierungsvorstellungen und damit der inhaltlichen Übereinstimmung der HK mit der bisherigen BFH-Rspr und Verwaltungsauffassung.
Art 35 Abs 3 der 4. EG-Richtlinie lautet:
Zitat
a) |
Zu den HK gehören neben den AK der Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe die dem einzelnen Erzeugnis unmittelbar zurechenbaren Kosten. |
b) |
Den HK dürfen angemessene Teile der dem einzelnen Erzeugnis nur mittelbar zurechenbaren Kosten, welche auf den Zeitraum der Herstellung entfallen, hinzugerechnet werden. |
§ 255 Abs 2 HGB gibt den Inhalt der 4. EG-Richtlinie zutreffend wieder, erweitert allerdings den Pflichtbestandteil der HK um die Material- und Fertigungsgemeinkosten und die Abschreibungen (§ 255 Abs 2 S 2 HGB). Der Verwendung des der Finanzbuchführung entnommenen Begriffs "Aufwand" bzw "Aufwendungen" gegenüber dem Kostenrechnungsbegriff "Kosten" in der EG-Richtlinie kommt keine materielle Unterscheidungswirkung zu. Zur steuerlichen Bewertung s Rn 291ff.
Rn. 258
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Der HK-Begriff ist – vergleichbar demjenigen der AK – final (also zweckgerichtet s BFH BStBl II 1984, 101/103) zu verstehen (zu AK s Rn 152). Nach aA gilt hier eher eine kausale Grundlage iSd Veranlassungsprinzips (s Raupach in FS Moxter 1994, 102, 120). So betont auch BFH BStBl II 1985, 49 eher das Veranlassungsprinzip, spricht aber gleichzeitig von der "Zweckrichtung der Aufwendungen". Dieses Bsp zeigt, dass für die praktische Umsetzung des HK-Begriffs die Unterscheidung zwischen final und kausal wenig ergiebig ist.
Typische Anwendungsbereiche für die HK in der Bilanz sind folgende WG:
- Gebäude (s Rn 520ff),
- bewegliches AV (selbst erstellte Anlagen) s Rn 611 ff,
- Erzeugnisse im Vorratsvermögen (s Rn 776ff).
Auch für Grund und Boden (s Rn 637ff) sowie für Beteiligungen an KapGes (s Rn 671ff) sind HK als Ausgangsgröße der Bilanzierung denkbar, allerdings sind HK für diese WG bislang durch die BFH-Rspr nicht bestätigt worden (s Rn 681ff für Beteiligungen sowie s Rn 510 für Grund und Boden).
Der Herstellungsvorgang lässt sich systematisch in drei Bereiche gliedern:
Rn. 259
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Der betriebswirtschaftliche Gehalt des Ansatzes von HK in der Bilanz erklärt sich im Ziel der erfolgsneutralen Abbildung des Herstellungsprozesses (vergleichbar dem AK-Prinzip s Rn 151). Dabei stellen die HK die Wertobergrenze für den Ansatz der WG in der Bilanz dar. Der Produktionsprozess des Unternehmens soll also als ergebnisneutraler Umschichtungsvorgang dargestellt werden, wenn dies auch iRd Ansatzes von Gemeinkosten nicht vollständig gelingt (s Rn 294ff).
ab) Abgrenzung zu den Anschaffungskosten
Rn. 260
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die Herstellung lässt sich von der Anschaffung systematisch leicht abgrenzen: Anschaffung ist ein Vorgang zum Erwerb bestehender WG, Herstellung einer zur Neuschaffung eines so bislang noch nicht vorhandenen WG (s A/D/S, § 255 HGB Rz 127, 6. Aufl; BFH BStBl II 1988, 1009/1010; s Rn 153). Diese Neuschaffung kann auch in Form einer Erweiterung (s Rn 277ff) oder einer wesentlichen Verbesserung (s Rn 571–573) bestehen. Die Anschaffung setzt also notwendig eine zeitlich vorhergehende Herstellung voraus. Anschaffen kann man nur etwas bereits Vorhandenes (vgl BFH v 17.10.2001, BFH/NV 2002, 700.
Anschaffungs- und Herstellungsvorgang sind zumindest bei der industriellen Produktion und im Bereich des Handwerks fa...