Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 1071
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die Bewertung der Entnahme für betriebsfremde Zwecke im Gefolge des Ausschlusses oder der Beschränkung der deutschen Besteuerung (s Rn 1056) ist mit dem gemeinen Wert iSd § 9 Abs 2 BewG, also in etwa dem fair value im Sprachgebrauch der internationalen Rechnungslegung, vorzunehmen. Normalerweise liegt der gemeine Wert höher als der Wiederbeschaffungspreis (Wiederherstellungskosten), und muss auch nicht zwingend mit dem Fremdvergleichspreis als Maßstab im internationalen Verrechnungsverkehr zwischen verbundenen Unternehmen übereinstimmen. Der gemeine Wert kann nicht generell auf der Grundlage der Selbstkosten zuzüglich Gewinnaufschlag ermittelt werden (so aber die Gesetzesbegründung des SEStEG, s §§ 4,5 Rn 246 (Briesemeister)). Je nach Marktverhältnissen liegt der Fair value auch unterhalb der Selbstkosten. Marktpreise werden nicht allein durch Kosten bestimmt (ähnlich Stadler/Elser, BB-Spezial 8/2006, 22).
Umgekehrt werden insb bei Anlagegütern die drei genannten Werte bei aller theoretischen Verschiedenheit wegen der Schwierigkeiten bezüglich der Wertermittlung im Einzelnen nicht weit auseinander liegen. Die legislatorische Zielrichtung der Verwendung des gemeinen Werts als Bewertungsmaßstab zielt offensichtlich auf das UV, weil dessen Teilwert im Zuge von Umwandlungsvorgängen durch den BFH regelmäßig als identisch mit den Buchwerten angenommen wird. Das Stuttgarter Verfahren der Beteiligungsbewertung ist § 11 Abs 2 BewG dabei nicht mehr anzuwenden. An seiner Stelle ist die Bewertung unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten nach einer auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode getreten (§ 11 Abs 2 S 3 BewG).
Zu Bsp mit entsprechenden Bewertungsfolgen wird verwiesen auf s §§ 4,5 Rn 251ff (Briesemeister).
Rn. 1072
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Unklarheiten ergeben sich bezüglich der Bewertung mit dem gemeinen Wert im Falle der Entnahme von Sachgesamtheiten. Nach der Definitionsnorm in § 9 Abs 2 BewG bezieht sich der gemeine Wert auf das einzelne WG.
Beispiel (nach Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1485):
Eine betriebliche Einheit wird in eine ausländische Betriebsstätte transferiert. In den WG sind keine stillen Reserven enthalten, aber diese betriebliche Einheit hat einen höheren Verkehrswert als den Buchwert.
Üblicherweise wird dem Firmenwert keine separate Entnahmemöglichkeit zugeordnet, er kann nur mit einem Unternehmen oder Unternehmensteil zusammen veräußert werden und deshalb auch keinen Verkehrswert repräsentieren. Der Gesetzgeber des SEStEG geht gleichwohl von einer Bewertbarkeit der gesamten betrieblichen Einheit mit dem gemeinen Wert aus (so Begründung des Regierungsentwurfs).
In einer betrieblichen Einheit können umgekehrt auch stille Lasten enthalten sein. Bsp: nicht bilanzierte Drohverlustrückstellungen oder Pensionsverpflichtungen mit der Bewertung nach § 6a EStG. Mit der Begründung von Rödder/Schumacher aaO müssen auch stille Lasten iRd Bewertung einer Sachgesamtheit mit dem gemeinen Wert berücksichtigt werden. Das folgt aus dem Ansatz des Firmenwertes, dessen Höhe auch durch stille Lasten bestimmt wird. Letztlich kommt es bei Sachgesamtheiten zu einer (Teil-)Unternehmensbewertung. Für die Einbeziehung von stillen Lasten nach § 6a EStG spricht auch der Vergleich mit § 11 Abs 1 S 2 UmwStG: dort sind Pensionsrückstellungen nach § 6a EStG von der Bewertung mit dem gemeinen Wert ausgenommen.
Rn. 1073
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Nach § 4 Abs 1 S 3 EStG kann es zu einer Entnahme in sog Entstrickungsfällen kommen. Die Bewertung einer solche Entnahme wurde durch das ATADUmsG mWz 01.01.2020 (s Rn 10) neu geregelt. Nunmehr schreibt § 6 Abs 1 Nr 4 S 1 Hs 2 EStG vor, dass die Entnahmen, welche durch die Regelung des § 4 Abs 1 S 3 Hs 1 EStG in Folge einer Beschränkung oder einen Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts ausgelöst werden, mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind, in den Fällen des § 4 Abs 1 S 3 Hs 2 EStG jedoch mit dem Wert anzusetzen sind, den der andere Staat der Besteuerung zugrunde legt, höchstens jedoch mit dem gemeinen Wert.
Dieser Anwendungsfall steht im Zusammenhang mit den Fällen, in denen es zu einer Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts kommt. In den Fällen des § 4 Abs 1 S 2 Hs 2 EStG wird neben der Entnahme zugleich nach § 4 Abs 1 S 9 EStG eine Einlage fingiert (sog Verstrickungseinlage s Rn 1191). Insoweit kommt es zu einer Wertverknüpfung in diesen Fällen, weil der Entnahme zugleich eine Einlage folgt und die Bewertungen beider Vorgänge übereinstimmen.
Rn. 1074–1080
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
vorläufig frei