Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 1785
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
§ 6 Abs 6 S 1 EStG beinhaltet die Bewertung eines einzelnen WG, das im Wege eines Tausches oder tauschähnlichen Vorgangs mindestens zweier WG (denkbar auch zweier passiver WG, jedoch noch nicht v BFH entschieden) erworben wird. Die Regelung ist auf Vorgänge im BV beschränkt und bestimmt, dass sich die AK des erhaltenen WG nach dem gemeinen Wert des hingegeben WG bemessen. Die spezielleren Regelungen des Abs 5 sowie UmwStG gehen dieser Regelung vor.
Eingefügt wurde die Regelung durch das StEntlG 1999/2000/2002. Dabei diente sie der Klarstellung (s BFH v 06.12.2017, VI R 68/15, BFHE 260, 264), denn der gewinnrealisierende Ansatz mit dem gemeinen Wert des hingegebenen WG (sofern dieser den Buchwert übersteigt) war schon immer allg gültige Rechtsauffassung, wenigstens für die StB (zur HB und IAS s Rn 196).
Zu den Ausnahmen von diesem Grundsatz s Rn 202 (erzwungener Austausch von Grundstücken aufgrund eines Flurbereinigungs- oder Umlegungsverfahrens) und aufgrund des Tauschgutachtens s Rn 1801. Der für die Gewinnrealsierung maßgebende Zeitpunkt ist die Lieferung des bisher eigenen WG (BFH v 14.12.1982, VIII R 53/81, BStBl II 1983, 303). Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG auf die eingetauschten WG ist möglich (s Rn 1761).
Beispiel: Bewertung einzelner WG im Wege des Tausches
Der Einzelunternehmer A tauscht eine Maschine aus seinem BV, die er nicht mehr benötigt, gegen einen Transporter.
Die AK des Transporters (erhaltenes WG) entsprechen dem gemeinen Wert der Maschine (hingegebenes WG).
Eine Gewinnrealisierung ist sowohl beim Einzelunternehmer A als auch beim anderen Tauschpartner möglich.
Rn. 1786
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
§ 6 Abs 6 S 1 EStG ergänzt die Bewertungsregelung des § 6 Abs 1 EStG und beschränkt sich dabei auf Vorgänge im BV (auch iRd § 16 EStG denkbar, jedoch nicht, wenn § 16 Abs 3 S 2 EStG als speziellere Regelung zur Anwendung kommt). Gleichwohl wendet der BFH diese Regelung auf den Tausch von WG iSd § 17 EStG "als Gewinnermittlungsvorschrift eigener Art" entsprechend an.
Allerdings ist für die Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 17 Abs 2 EStG der gemeine Wert des erhaltenen und nicht des hingegeben WG maßgeblich (s § 17 Rn 160 mwN (Karrenbrock); BFH v 06.04.2009, IX B 204/08, BFH/NV 2009, 1262 Rz 14). Dazu kritisch Kulosa, der die entsprechende Anwendung des § 6 Abs 6 S 1 EStG ablehnt, jedoch dem Ergebnis hinsichtlich der Ermittlung des gemeinen Werts im Ergebnis zustimmt, jedoch betont, dass dieses Ergebnis auch ohne entsprechende Anwendung von § 6 Abs 6 S 1 EStG resultieren würde (Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz 853 (43. Aufl 2024)).
Entsprechend gilt für WG iSd § 23 EStG (BFH v 13.04.2010, IX R 36/09, BStBl II 2010, 792; Kulosa in Schmidt, § 6 EStG Rz 853 (43. Aufl 2024), so dass grds der gemeine Wert der empfangenen Gegenleistung maßgeblich ist.
Dies dürfte für WG iSd § 20 EStG entsprechend gelten (Eckstein in H/H/R, § 6 EStG Rz 1700 (08/2021)).
Rn. 1787–1790
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
vorläufig frei
1. Begriff des Tausches iSd § 6 Abs 6 S 1 EStG
a) Keine gesetzliche Definition des Begriffs
Rn. 1791
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Für das Tauschgeschäft bietet das EStG keine Definition an. Zurückgegriffen werden muss deshalb auf § 515 BGB. In bilanzrechtlicher Hinsicht ist ein Tauschgeschäft dahin zu interpretieren, dass bei jedem der beiden Tauschpartner ein Anschaffungsvorgang und ein Buchabgang für ein anderes WG vorliegt. Für Zwecke der StB gilt das Tauschgeschäft als Realisationsvorgang. Jeder Partner der Tauschparteien wird so behandelt, als ob er ein entgeltliches Anschaffungsgeschäft getätigt hätte.
Gegenstand des Tausches können Sachen, Rechte oder andere immaterielle WG sein. Nutzungsrechte können nur dann Gegenstand eines Tausches idS sein, wenn sie die Voraussetzungen eines WG erfüllen. Denn § 6 Abs 6 S 1 EStG setzt den Tausch mindestens zweier WG (grds können auch gleichzeitig mehrere WG getauscht werden) voraus. Diese wären erfüllt, wenn das Nutzungsrecht aufgrund dinglicher Absicherung oder schuldrechtlicher Vereinbarung eine gesicherte Rechtsposition gewährt (BFH v 09.08.1989, X R 20/86, BStBl II 1990, 128) und selbständig bewertbar ist (Eckstein in H/H/R, § 6 EStG Rz 1715 (08/2021)). S die Erläuterungen unter s Rn 195ff.
Daneben sind tauschähnliche Geschäfte wirtschaftlich mit einem Tausch vergleichbar. Auch sie unterliegen der Anwendung des § 6 Abs 6 S 1 EStG. Zu diesen gehören inbs gesellschaftsrechtliche Einbringungsvorgänge (s Rn 1794).
Rn. 1792–1793
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
vorläufig frei
b) Gesellschaftsrechtliche Einbringungsvorgänge
Rn. 1794
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die offene Sacheinlage in eine KapGes, bei der der Gesellschafter einer KapGes seine gesellschaftsrechtliche Einlage durch Übertragung einzelner WG aus seinem PV gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erbringt (Sachgründungen bzw Sachkapitalerhöhungen iSd Gesellschaftsrecht), unterfällt als tauschähnlicher Vorgang § 6 Abs 6 S 1 EStG. Nach Rspr des BFH liegt in diesen Fällen eine entgeltliche Veräußerung (BFH v 06.04.2011, IX R 41/10, BFH/NV 2011, 1850; BFH v 20.04.2011, I R 97/10, BStBl II 2011, 815) sowie auf...