Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 1321
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Das Wahlrecht nach § 6 Abs 2 EStG gilt gem S 1 lediglich für abnutzbare, bewegliche WG des AV, die selbstständig nutzungsfähig sind, sofern die AK oder HK, vermindert um einen darin enthaltenen Vorsteuerbetrag (§ 9b Abs 1 EStG), oder der nach § 6 Abs 1 Nr 5–6 EStG an deren Stelle tretende Wert (Einlagewert) für das einzelne WG EUR 800 (bis VZ 2017: EUR 410) nicht übersteigen.
S 2 und 3 der Regelung definieren, unter welchen Voraussetzungen ein WG nicht selbstständig nutzungsfähig ist.
S 4 und 5 regeln Einzelheiten, unter denen GWG, deren Wert EUR 250 (bis VZ 2017: EUR 150) übersteigt, in ein laufendes Verzeichnis aufzunehmen sind.
1. Tatbestandsvoraussetzungen
a) Abnutzbare, bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens
Rn. 1322
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Voraussetzung ist, dass es um abnutzbare, bewegliche WG des AV handelt, die zudem selbstständig nutzungsfähig sind (s Rn 1330f). Insoweit gelten die allg Grundsätze. IRd Ertragsbesteuerung braucht es sich nicht um neue WG zu handeln, auch gebrauchte WG unterliegen der Bewertungsfreiheit des § 6 Abs 2 EStG.
Das Gesetz kennt keine Grenzen absoluter oder relativer Art (abgesehen von der Wertgrenze für das einzelne WG). So kann also das gesamte AV eines StPfl aus GWG bestehen. Auf die Art der Nutzung kommt es nicht an. Entscheidend ist lediglich, dass das einzelne WG (zur Zusammenfassung zu einem WG s Rn 1324) zum AV gehört. Folglich muss es also dauernd dem Geschäftsbetrieb dienen (§ 247 Abs 2 HGB). Bei Weiterverkaufsabsicht liegt UV vor, für welche § 6 Abs 2 EStG nicht gilt. Die Überführung eines WG aus dem UV in das AV stellt keine Anschaffung iSd Regelung dar (BFH v 29.07.1966, IV R 151/66, BStBl III 1967, 62). § 6 Abs 2 EStG greift lediglich dann, wenn die Überführung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung erfolgen sollte (BFH v 11.12.1970, VI R 262/68, BStBl II 1971, 198; Dreixler in H/H/R, § 6 EStG Rz 1021 (08/2021)).
Der StPfl muss im Beschaffungsjahr das GWG nicht selbst nutzen, kann es aber an Dritte vermieten. Es besteht auch keine Grenze im Sinne einer ökonomisch sinnvollen Verwertbarkeit; das FA kann also nicht eigene Wirtschaftlichkeitsüberlegungen anstellen, es genügt die betriebliche Veranlassung. Andererseits dürfen die GWG nicht zum Verbrauch oder zur Weiterveräußerung bestimmt sein, dann UV.
Rn. 1323
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Im Grundsatz gilt die Bewertungsfreiheit lediglich für bewegliche, dh materielle, WG. Immaterielle WG unterfallen nicht § 6 Abs 2 EStG. Eine Ausnahme gilt nach Auffassung der FinVerw für sog Trivialprogramme, sie sind abnutzbare bewegliche und selbständig nutzbare WG (R 5.5 Abs 1 S 3 EStR 2012 und amtliche Anmerkung hierzu). Aus Vereinfachungsgründen gelten alle Computerprogramme, deren AK oder HK die Wertgrenze von EUR 800 (s Rn 1302) nicht übersteigen, als Trivialprogramme.
Rn. 1324
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Zur Vermeidung von Missbräuchen durch Aufteilung eines WG in mehrere einzelne WG sind unselbstständige WG nach Sinn und Zweck der Regelung zu einem einheitlichen WG zusammenzufassen. Dieser Grundsatz resultiert aus dem Prinzip der Bewertungs- und Abschreibungseinheit. Davon zu unterscheiden ist die Zusammenfassung selbstständig nutzungsfähiger WG zu einer Einheit, weil für deren einzelne Bestandteile das Wahlrecht nach § 6 Abs 2 EStG beansprucht werden kann.
Für die Abgrenzung ist zu prüfen, ob die einzelnen WG trotz einer etwaigen Verbindung noch selbständig bewertbar sind (vgl auch BFH v 15.07.2010, III R 70/08, BFH/NV 2010, 2253), dh dem einzelnen WG nach der Verkehrsauffassung gleichwohl eine Bedeutung zukommt und bei einer Veräußerung berücksichtigt würde. Dabei erlangt auch die betriebliche Verwendung Bedeutung. Im Ergebnis sind zB Zubehörteile lediglich unselbständige Teile des übergreifenden Ganzen (BFH v 08.06.1961, IV 237/57, DB 1961, 1181). S Dreixler in H/H/R, § 6 EStG Rz 1006 (08/2021).
Rn. 1325–1329
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
vorläufig frei
b) Die selbstständige Nutzungsfähigkeit
Rn. 1330
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Der eigentliche Problembereich der Rechtsnorm liegt in der "selbstständigen Nutzungsfähigkeit" und damit in den Abgrenzungsregeln des § 6 Abs 2 S 2 und 3 EStG. Diese Vorschriften sollen verhindern, dass der StPfl zur Gewährleistung der Sofortabschreibung ein einheitliches WG etwa bei der Anschaffung (insb) künstlich in verschiedene Bestandteile "zerlegt" (etwa durch Veranlassung einer separaten Abrechnung). Nach st Rspr hängt die selbstständige Nutzungsfähigkeit davon ab,
- ob das einzelne WG auf ein Zusammenwirken mit anderen WG angelegt ist und
- ob es die eigene Nutzungsfähigkeit im funktionalen Sinne verliert, wenn es von den anderen WG getrennt wird (Dreixler in H/H/R, § 6 EStG Rz 1025 (08/2021) unter Hinweis auf ua BFH v 19.02.2004, VI R 135/01, BStBl II 2004, 958; BFH v 10.03.2004, VI R 91/00, BFH/NV 2004, 1241; BFH v 10.03.2004, VI R 19/02, BFH/NV 2004, 1386; BFH v 11.09.2007, III B 70/06, BFH/NV 2007, 2353).
Entscheidend für die Zweckbestimmung ist die konkrete betriebliche Verwendung im einzelnen Betrieb durch den StPfl (zB BFH v 11.11.2003, III B 31/03, BFH/NV 2004, 369). Nicht entsche...