Jürgen Dräger, Tobias Müller
Rn. 1118
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Die Gesetzesregel (sog 1 %-Regel) ist ein Musterfall der Typisierung im Steuerrecht, und zwar in ausgesprochen grober Form. Die Bemessungsgrundlage – der Listenpreis des Kfz – hat nur eingeschränkt mit den tatsächlichen Kosten und noch weniger mit denjenigen für die private Nutzung einerseits und die betriebliche andererseits zu tun.
Gleichwohl soll die Regelung verfassungsrechtlich unbedenklich sein (BFH BStBl II 2000, 273; 2001, 403). Dafür spricht entscheidend die dem StPfl ermöglichte Escape-Klausel zum konkreten Nachweis der betrieblichen und privaten Nutzung. Umgekehrt wird allerdings durch diese BFH-Urt ein gleichheitswidriger Vorteil für StPfl ausgeblendet (s Rn 1119 sowie Paus, FR 2001, 1045). Zugleich ist es nach Auffassung des BFH verfassungsrechtlich nicht geboten, die nach der 1 %-Regelung ermittelte Nutzungsentnahme auf 50 % der Gesamtaufwendungen für das Kfz zu begrenzen (vgl BFH v 15.05.2018, X R 28/15). Die gegen diese Entscheidung zwischenzeitlich eingereichte Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschluss des BVerfG v 21.03.2023, 2 BvR 2129/18).
Rn. 1119
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Wie bei jeder Typisierung kann der Besteuerungsmaßstab im Einzelfall zugunsten oder zuungunsten des Fiskus ausfallen (im Vergleich zur effektiven Privatnutzung).
Beispiele:
- Die private Nutzung eines mit niedrigen AK beschafften Gebrauchtwagens oder eines bereits abgeschriebenen Kfz geht iRd 1 %-Regel ceteris paribus zu Lasten des StPfl.
- Gerade bei hochpreisigen Kfz kann die 1 %-Regel auch vorteilhaft sein. So zB, wenn der private Nutzungsanteil nahe der gesetzlichen Grenze für die Anwendung der 1 %-Methode liegt (knapp unter 50 %), die jährliche Fahrleistung (> 35 000 km) und die Haltedauer (> 3 Jahre) erheblich sind, geringe Entfernungen zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte vorliegen und der bei Anschaffung des Fahrzeugs gewährte Rabatt 10 % nicht übersteigt.
- Dagegen sollte bei einem hohen betrieblichen Nutzungsanteil sowie Fahrzeugen der Oberklasse erwogen werden, den durch die Führung eines Fahrtenbuches entstehenden bürokratischen Aufwand in Kauf zu nehmen (so Eichfelder/Kluska/Neugebauer, DStR 2017, 701).
Rn. 1120
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Abgegolten wird durch die Pauschalierungsregel die private Nutzung. Demnach sind alle Kosten der Autonutzung durch die 1 %-Regelung abgegolten. Auch bei Anwendung der Fahrtenbuchmethode sind grds alle Kfz-Kosten unabhängig von der privaten oder betrieblichen Veranlassung in die Aufteilungsrechnung einzubeziehen (s Rn 1119).
Nach BFH v 14.09.2005, VI R 37/03, BStBl II 2006, 72 soll dies allerdings nicht für Kosten der Autobahnbenutzung (Maut oder Vignetten), Fähren und Auslandschutzbriefe gelten. Die Begründung des BFH lautet: Die "insgesamt entstehenden Aufwendungen" für die Nutzung eines Autos sollen "nur solche, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Fahrzeugs zu dienen bestimmt sind und mit seiner Nutzung zwangsläufig anfallen", umfassen. Diese Einschränkung ist dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ("insgesamt") nicht zu entnehmen (so die Kritik von Urban, FR 2006, 84; FR 2007, 873).
Diese das Urt tragende Begründung bereitet aber auch außerhalb von Straßenbenutzungsgebühren Schwierigkeiten. Zwangsläufig sind nämlich zB nicht die Kosten einer Kaskoversicherung, einer Wagenwäsche oder eines Reifenwechsels mit Felge (weitere Bsp bei Hoffmann, GmbH-StB 2006, Heft 6). Sollte der BFH tatbestandlich die unmittelbare Zwangsläufigkeit der Autokosten als Beschränkungsnorm für die Einbeziehung in die Pauschalierung bzw die Einbeziehung in die Fahrtenbuchmethode ansehen, kann das zu kuriosen Ergebnissen führen: Da die Nutzung der vignettepflichtigen österreichischen Autobahnen, der gebührenpflichtigen Brennerautobahn und der mautpflichtigen italienischen Autobahnen nicht zwangsläufig ist – Landstraßen und Ortsdurchfahrten stehen reichlich zur Verfügung –, könnte ein Modeeinzelhändler, der mit seinem Kombi zum Einkauf auf die Mailänder Messe fährt, diese genannten Gebühren nicht als BA abziehen. Oder aber der BFH verlangt für diese nicht zwangsläufigen Kosten eine Zuordnung zu "privat" und "Betrieb" nach dem Veranlassungsprinzip, was indes durch die typisierende Regel für die Autonutzung (s Rn 1118) gerade ausgeschlossen werden soll. Die Typisierung gilt dann nicht für die Straßennutzung.
Das BFH-Urt VI R 37/03 aaO ist in seiner Begründung alles andere als schlüssig (vgl die harsche Kritik von Urban, FR 2006, 84), gleichwohl hält der BFH an seiner Rspr fest.
Im Urt BFH v 24.05.2007, VI R 73/05, BStBl II 2007, 766 hat er den trunkenheitsbedingten Totalschaden auf einer Dienstfahrt ebenfalls aus der Pauschalierung unter Hinweis auf das Urt VI R 37/03 aaO ausgenommen. Entsprechendes gilt, wenn der Pkw auf der Privatfahrt gestohlen wird (BFH v 18.04.2007, XI R 60/04, BStBl II 2007, 762).
Rn. 1121
Stand: EL 175 – ET: 09/2024
Das sich die Begrenzung des Absatzes von Maut- und Parkgebühren nach dem BFH-Urt VI R 37/03 aaO nur auf ...